Salzburger Nachrichten am 31. Dezember 2005 - Bereich: Kultur
"Kunst ist zumutbar" Vordergründige
Provokation sei nicht geplant gewesen, sagen die Kuratoren der Aktion
"Peace gerollt". Die zwei umstrittenen Arbeiten wurden indessen entfernt.
WIEN (SN-m.b.). Ursula Maria Probst und Walter Seidl, die Kuratoren des
umstrittenen Plakatprojektes "Peace gerollt - Europart", weisen die in
Medien erhobenen Pornografie- und Sexismusvorwürfe strikt zurück.
Unkenntnis, Ignoranz, Verlogenheit und Parteipolitik hätten zu der
"unverständlichen Erregung" geführt, erklärt das Kuratoren-Duo . Die Diskussion hatte sich, wie berichtet, auf zwei Arbeiten des
spanischen Künstlers Carlos Aires und der serbischen Künstlerin Tanja
Ostojic fokussiert. Auf Grund der "Polemiken" und einer "Nichtbereitschaft
der Öffentlichkeit, sich inhaltlich mit den künstlerischen Aussagen zu
beschäftigen" hat Aires seine Arbeit zurückgezogen. "Er will damit den
Blick auf die anderen Arbeiten der insgesamt 75 Künstler freigeben",
berichtet Probst. Tanja Ostojic empfindet den Umstand, dass ihre Werke von
den Rolling Boards abgenommen werden, als öffentliche Zensur. Der gegen
ihre Arbeit erhobene Vorwurf der Frauenfeindlichkeit sei absurd, erklären
Probst und Seidl. Die Serbin sei als feministische Künstlerin bekannt, ihr
Werk persifliere das Courbet-Gemälde "Der Ursprung der Welt". Aires habe
mit seinem Plakat - zwei Frauen und ein Mann, die Masken von George Bush,
Jacques Chirac und Queen Elizabeth II. tragen, sind in einer
Gruppensex-Position dargestellt - auf unterschiedlich liberale
Gesetzgebungen im Umgang mit Homosexualität in Europa hinweisen wollen.Die
Aktion sei keinesfalls auf vordergründige Provokation angelegt gewesen.
Man habe über eine an Werbung angelehnte Ästhetik versucht, den Blick auf
Bilder zu schärfen. "Eine brave Bildershow wäre nicht wahrgenommen
worden", der nun entfachte Sturm der Entrüstung sei aber sehr merkwürdig,
sagen Probst und Seidl, die sich auch gegen die Behauptung wehren, die
Aktion sei als "Werbekampagne für die EU" konzipiert gewesen. Geplant
seien stets kritische, künstlerische Statements zum Thema Europa
gewesen. Die Inhalte seien bei der Auswahl der Kunstschaffenden im Vordergrund
gestanden. Dass die Akzeptanz von Körperkunst auch Jahre nach den
Wiener-Aktionismus-Turbulenzen in Österreich nur sehr gering sei, werten
die Kuratoren als beschämend. Die jüngste Skandalisierung sei, so Seidl, von folgenden Elementen
genährt: Vorwahlkampf, Saurer-Gurken-Zeit in den Medien und
Primitiv-Reflexen gegen aktuelle Kunst. Die Erregung habe sich
mittlerweile zu einer internationalen "Medienskulptur" ausgeweitet. Die Frage, wo die Grenzen für eine im öffentlichen Raum ausgestellte
Kunst zu ziehen seien, beantwortet Ursula Maria Probst so: "Kunst ist
zumutbar. Eine gründlichere Vor-Information der Öffentlichkeit wäre im
konkreten Fall aber möglicherweise sinnvoll gewesen." Leider sei die
Vorlaufzeit nur kurz gewesen. Seidl und Probst distanzieren sich von einer Auffassung, wonach Kunst
im öffentlichen Raum dekorativ und behübschend sein soll: "Wir wollen
jenseits einer gängigen Verschönerungsmethodik Problematiken sichtbar
machen und Diskurse auslösen." Ihr Projekt habe durch irritierende
Komponenten Denkprozesse in Gang bringen wollen. Durch mediale und
politische Skandalisierung sei aber eine "Psychodynamik" entstanden, die
leider für den Umgang mit zeitgenössischer Kunst in Österreich bezeichnend
sei. Ursula Maria Probst: "Die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller
hat sich vehement dafür ausgesprochen, die beiden umstrittenen Sujets in
Salzburg nicht zu zeigen. Hätte sie sich informiert, hätte sie gewusst,
dass die Arbeiten von Aires und Ostojic nie für Salzburg geplant waren."
In der Mozartstadt werden nur die Arbeiten von 29 Kunstschaffenden zu
sehen sein. Die Hoffnung von Seidl: "Dass die im Projekt verbliebenen
Arbeiten die Chance einer fairen Wahrnehmung erhalten." |