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29.08.2005 - Kultur&Medien / Kultur News
Kondolenzen: "Vielleicht zu sehr das Genie gesucht und noch erreichen wollen"
Die Literatenwelt trauert, die des Theaters und die politische auch.

Als Peter Handke "in jungen Jahren" war, war Wolfgang Bauer für ihn "das einzige Genie in Österreich. Er ist es auch später geblieben - "unter uns allen das Genie" -, Handke sieht aber auch den Preis, den Bauer dafür zahlte: "Vielleicht hat er mit seinen späteren, immer surrealistischer werdenden Werken das Geniale zu sehr gesucht und noch erreichen wollen. Mit seinem Tod geht wieder ein Stück großes junges Graz zu Grunde", erklärte Handke gegenüber der APA.

"Ich habe den Wolfi kennen gelernt, da war er 13, am Geidorfgürtel beim Fußballspielen", berichtet ein anderer Schriftsteller-Kollege, Gerhard Roth, der "Presse". Bauer sei schon damals ein Stimmungsmacher gewesen. "Nach der Matura haben wir im Forum Stadtpark zusammengearbeitet. Erst wurde Roth Schauspieler in Stücken Bauers - etwa: "Der Schweinetransport" -, dann inszenierte Roth Bauer - "Sehnsucht" -, dann machte Roth aus Bauer eine Figur eines Romans - Detektiv in "Der große Horizont". Später sei die Beziehung etwas komplizierter geworden: "Er war für die Umwelt manchmal schwierig, wegen des Alkohols. Zugleich aber blieb er humorvoll und großzügig, war gar nicht nachtragend. Wolfgang hat sehr intensiv gelebt. Er hat Ideologien abgelehnt, sie als Hindernis für das wahre Leben empfunden. So war er oft schutzlos im Streit."

"Er war ein offener, toleranter, fröhlicher Mensch. Man hat immer gewusst, woran man bei ihm ist", erinnert sich Bauers Verleger, Max Droschl: "Meiner Ansicht nach gehört er zu den Spitzenleuten, zu den fünf wichtigsten Theaterautoren im deutschsprachigen Raum." Aber die letzten 15 Jahre sei er von Theatern und Regisseuren nicht gut behandelt worden: "Er war als ,Magic Wolfi' schubladisiert, dabei ist er längst in die philosophische Richtung marschiert. Er wurde völlig unter seinem Wert gehandelt."

Bauer habe, urteilt der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler, die "Identitätsschwierigkeiten einer ganzen Gesellschaft sehr witzig und mit verwirrender Mystik in Worte gefasst". Er hat, wieder laut Roth, "das realistische Theater erneuert" - und darin Nachfolger wie Peter Turrini gefunden -, später einen Paradigmenwechsel vorgenommen, "ins Surrealistische. Da hat er sich nicht umstimmen lassen, dieses Werk muss erst entdeckt werden", erklärt Roth, der daran erinnert, dass es neben dem Dramatiker Bauer auch einen Lyriker Bauer gab.

"Die Theaterwelt verliert einen der wichtigsten österreichischen Dramatiker der Nachkriegszeit", erklärte Matthias Frontheim, Direktor des Grazer Schauspielhauses: "Bauer verschreckte, verstörte, prägte das Theater". Erinnern wird daran eine Ausstellung im Grazer Stadtmuseum im Jahr 2006, die den 65. Geburtstag Bauers feiern hätte sollen.

Für Kunststaatssekretär Franz Morak war Bauer "einer jener Autoren, die eine neue Ehrlichkeit in die österreichische Dramatik gebracht haben"; Bundeskanzler Wolfgang Schüssel betrauert in Bauer einen "Motor der literarischen Avantgarde in Österreich"; "Provokationen setzte er nicht zum Selbstzweck ein, es ging ihm um die Zuspitzung der wesentlichen Fragen des Lebens", meint die steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic.

Wolfgang Bauer wird in einem Ehrengrab beigesetzt werden.

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