Sigmund-Freud-Museum: Installation von Joseph Kosuth
"Ansicht der Erinnerung" an die Fleischerei Kornmehl
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Seit einem Jahr hat das Sigmund-Freud-Museum in der Berggasse
durch Ankauf des Gassenlokals links vom Haustor ein Stück öffentlichen
Raum für künstlerische Aktivitäten dazugewonnen. Joseph Kosuth macht mit
einer Installation zur Erinnerung an die ehemalige Fleischerei Siegmund
Kornmehl bis 30. November den Anfang. Er nennt die auf einem Foto von
Edmund Engelmann aus dem Jahr 1938 beruhende Intervention mit dem oben
situierten Absatz aus Freuds "Psychopathologie des Alltagslebens" eine
"Ansicht der Erinnerung". Für Vorübergehende ist das verdoppelte Bild -
auf der verwaisten Fläche des früheren Geschäfts und daneben in Augenhöhe
als kleine Aufnahme des Originalzustandes - koppelbar mit dem letzten
Satz, der die Kindheitserinnerungen des einzelnen Individuums anspricht.
In diesem Fall kann es zwar nicht Freuds Kindheit sein (er lebte von 1891
bis 1938 dort) aber vieler anderer. Eine wesentliche Schiene der
Konzeptkunst des 1945 in Toledo (Ohio, USA) geborenen Künstlers wird mit
dieser ephemeren Arbeit sichtbar. Sie weist an historischen Orten wie auch
in den neuesten Projekten im Deutschen Bundestag und in einer Highschool
in Hiroshima nicht ohne Ironie auf die Wege der Geschichte hin. Im
ausgewählten Spruch Freuds ist nämlich auch davon die Rede, "dass man bei
der Entstehung der Traditionen und der Sagengeschichte eines Volkes einem
solchen Motiv, das dem Nationalgefühl Peinliche aus der Erinnerung
auszumerzen, Rechnung tragen muss,..." Nicht nur die Politik der
Verdrängung unseres Landes ist gemeint: Kosuth ist kein Moralist, er weist
auf die Geschichte des Ortes. Foto und Text sind für ihn eins in der
Aussage. Die zwei Emigranten Freud und Kornmehl zählten im Gegensatz zu
den anderen jüdischen Bewohnern des Hauses Berggasse 19 zu den
Überlebenden. Freuds Wohnung aber wurde, nach neuen Recherchen, ab zirka
1940 als Sammelwohnung für KZ-Deportationen benützt. Kosuths
Verbindung von Fotografie und Schrift wirkt als minimalistischer Eingriff
wie eine logische und bleibende künstlerische Ergänzung zu den beflaggten
Hinweistafeln der Stadt Wien. Nach seiner Entfernung wird es ein
Erinnerungsmal in der Erinnerung werden oder hoffentlich auch in die neben
der wissenschaftlichen Dokumentation gegründete Foundation for the Arts
des Museums eingehen. Nach der Innenraum-Textinstallation "Zero & Not"
ist es die zweite Arbeit des Künstlers für das Freud-Museum in Wien.
Erschienen am: 06.11.2002 |
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