Linz09 geht zu Ende: Mit zufriedenen Intendanten, positiven Nächtigungszahlen und dem Wunsch nach Nachhaltigkeit
"Die Erben von Linz09 können überall sein"
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Ulrich Fuchs (l.), stellvertretender Intendant, und Intendant Martin
Heller sind sich rückblickend einig: Linz09 glich einem kulturellen
Ausnahmezustand. Foto: J. Urbanek
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Von Julia Urbanek
![Aufzählung Aufzählung](00087383-Dateien/wzfeld.gif)
Das Intendanten-Team Martin Heller und Ulrich Fuchs im "WZ"-Gespräch.
![Aufzählung Aufzählung](00087383-Dateien/wzfeld.gif)
Über die Zukunft, Katzenjammer und Endzeitstimmung.
Linz09: Jahr der Feuerwerke "Wiener Zeitung":
In wenigen Wochen geht Linz09 zu Ende. Welche Gefühle herrschen bei
Ihnen vor: Wehmut oder Erleichterung, Abschiedsschmerz oder
Aufbruchsstimmung?
Martin Heller: Mein Gefühl ist das einer
neugierigen Zufriedenheit. Ich bin sehr zufrieden, wie es gelaufen ist.
Und natürlich neugierig, wie es jetzt weiterläuft ohne uns. Ich gehe
davon aus, dass Linz höchst interessante Zeiten bevorstehen.
Ulrich Fuchs: Wir wollten immer sichern, dass nicht
zu früh eine Endzeitstimmung einkehrt. Es ist eine Notwendigkeit, nicht
nachzulassen oder einen auf Schlussverkauf zu machen. Man muss bis zum
letzten Tag professionell arbeiten, wie sich das gehört. Es gibt mit
"Maria Stuart" am 8. Dezember auch noch eine Premiere, es ist also noch
einmal ein Anfang.
Herr Heller, als wir im Jänner gesprochen haben, wollten Sie
sich nicht auf ein Motto festlegen lassen. Das Fehlen eines
Überbegriffs für das Kultur-Hauptstadtjahr wurde oft kritisiert. Wie
sieht dieser Überbegriff in der Rückschau aus?
Heller: Für mich waren es drei Momente: Offenheit,
Internationalität und Neugierde. Wir haben viele Erfindungen in die
Welt gesetzt, neue Formate wurden geschaffen, neue Orte, neue Ideen.
Die Internationalität ist in vielen Reaktionen, die uns erreichen, voll
angekommen. Die Stadt hat entdeckt, dass es interessant ist, wenn viele
Sprachen auf der Straße gesprochen werden und das Internationale als
Lust empfunden. Wir haben ein Publikum erlebt, das so neugierig ist,
wie wir es uns nicht haben vorstellen können.
Fuchs: Das Prinzip "365 Tage volles Programm" hat
für mich gut funktioniert, in Bezug auf die Linzer als auch auf
ausländische Gäste. Wir sagten: "Wann immer Sie nach Linz kommen
wollen, es ist was los". Das war ein Unterschied zu anderen
Kulturhauptstädten, die oft mit Saisons und Pausen gearbeitet haben.
Wir wollten Linz so positionieren, dass man auch, wenn man im Jänner
oder November kommt, etwas zu sehen bekommt.
Anfang des Jahres waren noch Absagen und Streitereien mit der
freien Szene das große Thema. Mittlerweile scheinen sich die Wogen
geglättet zu haben. Wie entwickelte sich der Kontakt zu den lokalen
Rebellen?
Heller: Für uns ist die Zahl der nicht zustande
gekommenen Projekte durchaus im Rahmen. Eigentlich verschwindend klein
angesichts der Dinge, die wir auf die Welt gebracht haben. Was die
freie Szene betrifft, hat sich für uns vieles relativiert und
bestätigt: Wir haben mit vielen wunderbar gearbeitet – Linzer Bands,
Kollektive, Initiativen haben ihren Wirkungskreis gefunden und sich
profilieren können. Auf der anderen Seite hat sich etwas bestätigt: Wir
haben nach wie vor eine große Distanz gegenüber den allzu
programmatischen Selbststilisierungen dieser freien Szene, das kommt
aus einer anderen Zeit.
Wir haben etwa mit der Stadtwerkstatt außer ein paar Konzerten
nichts zustande gebracht, weil keine guten Projekte da waren. Aber
siehe da: die wirkliche Stadtwerkstatt ist in Wels. Was das
Medienkulturhaus Wels hingelegt hat, das
hätte ich mir von der
Stadtwerkstatt gewünscht. Aber wir nehmen zur Kenntnis, dass die
kreativen Kräfte dort unendlich viel größer und zeitgemäßer waren.
Sie haben in Linz vieles in Gang gesetzt, wen setzen Sie als Ihre Erben ein? Wer soll ab 2010 Ihren Nachlass weiterführen?
Heller: Es ist ein Gesamtprojekt und die Erben
können überall sein. Das kann jemand sein, der seinem Ärger Ausdruck
gibt, weil im Sommer 2010 nichts läuft, und selbst die Initiative
ergreift, das können Tourismus oder Politiker sein. Man kann das nicht
kalkulieren.
Fuchs: Die Idee der Triennale von Lentos, OK und
Landesgalerie ist ein Erbe von Linz09, der Freundeskreis des
Kepler-Salons ebenso. Wir haben eine ganze Reihe von Übergaben gehabt,
da war auch der Tourismus dabei. Diese Prozesse sind sorgsam geplant.
Planung und die Beibehaltung eines Geistes sind
nun auch notwendig, denn 2010 wird es wesentlich
weniger finanzielle Unterstützung für Kultur und kein Linz09-Team mehr geben.
Heller: Es war ein Ausnahmezustand, ganz klar. Man
muss das auch nicht schönreden. Es wird Katzenjammer geben, es wird
viele Dinge nicht mehr geben. Aber der Geist, dass Linz selbstbewusst
und stolz geworden ist auf die Stadt – dass so etwas weitergeht, kostet
kein Geld, das ist eine Frage vom Kopf. Ich habe da ein wirklich gutes
Gefühl und bin neugierig.
Fuchs: Klar, wenn man einmal in der Championsleague
gespielt hat, möchte man auch weiterhin in der Championsleague spielen
– und für die Voraussetzungen dafür wollen wir noch Sorge tragen.
Zur Person
Martin Heller (56) stammt aus Basel. Er studierte dort Kunstgeschichte, Ethnologie und Europäische Volkskunde. Ab 1990 war er
Direktor des Museums für Gestaltung Zürich, ab 1997 leitete er zudem das Museum Bellerive Zürich.
Der selbstständige Kulturunternehmer zeichnete bereits als
künstlerischer Leiter für die Schweizerischen Landesausstellung
Expo.02. und die Steuerung der Tiroler Landesausstellung 2005 "Die
Zukunft der Natur" verantwortlich. Martin Heller
ist der Intendant des diesjährigen Kultur-Hauptstadtjahrs Linz09.
Ulrich Fuchs (57) wurde in Neustadt/Waldnaab
(Deutschland) geboren. Der Literaturprofessor studierte Germanistik,
Politik, Geschichte, Soziologie und Theaterwissenschaft. Bis 2005
lehrte er an der Universität Bremen. Dort war er auch Leiter des
Studiengangs Musik und Kulturmanagement. Parallel dazu arbeitete er als
Dramaturg am Bremer Theater und unterrichtete an der Uni Mainz. Seit
2001 lehrt er an der Universite d’Avignon (Frankreich). Fuchs ist
stellvertretender Intendant von Linz09 und Leiter der
Projektentwicklung.
Printausgabe vom Donnerstag, 03. Dezember 2009
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