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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
13. Februar 2009
17:56 MEZ

Hinweis:
Im umfassenden Begleitprogramm: Vorträge (u.a. Svenja Flaßpöhler, "Der Wille zur Lust" , 12. 3., 19.00). Im April zeigt das Filmarchiv eine Reihe zu Erotik und Pornografie im österreichischen Film.

 


 

 

Pornografisches Potpourri in der Kunsthalle, z.B. die Skulptur von Liz Moore nach Stanley Kubricks "Korova Milkbar" (oben), Louisa Achilles "The Naked Feminist" (Mitte) und Eon McKais "Eastside Story".


Pornos in der Kunstnische
"Porn Identity" reflektiert das Thema des sexuellen Begehrens mit pornografischem Potpourri. Eine Ausstellung, die besser ein Dokumentarfilm geworden wäre

Wien - Selbstverständlich sei es ratsam sich die Brüste aufpimpen zu lassen, rät die Schönheitschirurgin ihrer Patientin in der TV-Serie, schließlich entsprächen die Brüste am ehesten dem männlichen Phallus. Wer an den Busen als Inbegriff des Weiblichen glaubte, den lehrt das Fernsehen:Brust-Op statt Penisneid.

Diese Fixierung auf den Phallus als bestes und vor allem unantastbares Stück des Mannes und die Geschichte des Penis, dessen nie an das Ideal heranreichenden kleinen Bruder, sind auch Thema in "Porn Identity. Expeditionen in die Dunkelzone". Geradezu als Karikatur erotischer Fixierungen und Idealisierungen wirken darin künstlerische Arbeiten wie jene von Terence Koh, die den Kult um den eigenen Sexappeal, in einem rituellen Tanz, einer Art Selbstbeschlafung oder Balz mit dem eigenen Schatten gipfeln lässt. Oder die Dildo-Party der Gruppe Panik Qulture.

Thomas Edlinger und Florian Waldvogel haben "Porn Identity" ursprünglich für Witte de With in Rotterdam (2007)kuratiert, dort eher älteres Publikum angelockt und die Präsentation nun gemeinsam mit Angela Stief für Wien adaptiert und verkleinert. Den Ausgangspunkt der Auseinandersetzung stellt die Überpräsenz sexueller Reize im Alltag, die Durchtränkung von Pop, Kunst und Medien mit Pornografie und dem ihr innewohnenden Prinzip der Tabu-Überschreitung dar. Nun soll der reale "Wildwuchs der Pornografie mit Laufbildern, Skulpturen und Installationen, die das sexuelle Begehren reflektieren" konfrontiert werden. Ausgespart blieben mit Absicht visuelle "Pioniere des Porn-Chics" wie Paul McCarthy, Jeff Koons oder Jason Rhoades, die mit dem Schau- und Stimulationswert der Pornografie spekulierten.

Platte Wichsvorlagen stelle man in der mit Jugendverbot belegten Schau allerdings keine zur Verfügung, stellen die Kuratoren energisch fest;die Dreidimensionalität der skulpturalen oder installativen Arbeiten sei wichtig. Ob es zum Brechen der animierenden Flachware ausreicht, die räkelnden Damen in Andrew Blakes Porno "Posessions" hinter eine grüne Tür zu sperren, die Teil der Installation "In Front of the Green Door" von Johannes Wohnseifer ist, bleibt fraglich. Dass der Titel überdies auf den - neben "Deep Throat "- größten Klassiker im Porno-Genre ("Behind the Green Door")verweist, bleibt dem Uneingeweihten ohnehin verborgen. Für jene sei nachgetragen, dass beide Filme 1972 nicht nur Skandale auslösten, sondern auch den sogenannten Porno-Chic-Boom, bei dem Pornofilme mit anschließender Diskussion in "normalen" Kinos gezeigt wurden. Auch in "Porn Identity" wird der Diskurs zum Thema groß geschrieben, er entfaltet sich aber einzig dort, wo das direkte in Bezug setzen mit "echtem" Porno ausbleibt:Gelungen ist das mit Katrina Daschners lesbisch-feministischer Aneignung von Nabokovs Lolita-Stoff. Gelungene Stücke sind auch Ed und Nancy Kienholz' mit Frauenbeinen auffrisierter Playboy-Flipper oder die Plakatwand von Monika Bonvicini, die das Klischee des potenten, ewig geilen Bauarbeiters aufgreift.

Die Kombination von Soft-und Hardcore-Pornos mit künstlerischen Filmen/Videos (u.a. von Hito Steyerl zum Thema Bondage oder William E. Jones zu anonymen Sex auf Toiletten) in einer Installation aus von der Decke hängenden Videomonitoren, ist wenig hilfreich dabei, "seine Lüste neu zu erfinden und zu verkoppeln". Vielmehr erscheint die im Stehen zu konsumierende Flimmerware als bewegtes Mosaik vielfältiger Penetrationen. Noch extremer wird das beim Director's Cut der Kuratoren: die "Rainbow Wall" zeigt auf fünf mal fünf Monitoren ein nach ästhetischen Prinzipien geschnittenes Best-Of-Porno. Na, Bravo!

Das Ziel des Unterfangens? "Wir wollten eine Märchen-Ausstellung für Erwachsene machen", kokettiert Waldvogel und wirft die nächste Frage auf:Ist es überhaupt noch Porno, wenn man es im White Cube zeigt? Gut, offensichtlich muss das Thema der Kontextverschiebung auch noch am Beispiel Porno durchdekliniert werden.

Kann man eigentlich aus der Ausstellung auch etwas mitnehmen, wenn man nicht an Pornografie interessiert ist, will man zum Schluss noch wissen und erhält - war das wirklich zu erwarten? - eine männliche Gegenfrage. Ist jemand, den Pornografie nicht juckt, eigentlich an Sexualität interessiert?

Der postpornografische Diskurs, der im konstruierten, aber allzu beliebig wirkenden Parcours verloren geht, hätte sich besser in einen Dokumentarfilm gekleidet. Schriflich lässt er sich allerdings in Form des Ausstellungsreaders (ganz wie "Hustler, Playboy" und Co. in Folie verschweißt) mit nach Hause nehmen. Für das Lesen im öffentlichen Raum ist er jedoch weniger geeignet. Das wird nach den ersten irritierten Blicken bei Testversuchen in der U-Bahn ganz schnell klar. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 14./15.02.2009)

Bis 1.6.

 

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