VON ARIANE
GRABHER
Schruns (VN) Am Jangtsekiang in Zentralchina entsteht der größte
Staudamm der Welt. Patricia Chen und Markus Krottendorfer haben den
Fluss im Sommer 2002 bereist und dokumentierten die Transformation
einer Landschaft im Umbruch.
Im Kunstforum Montafon zeigen sie die Ergebnisse erstmals
gemeinsam.
"Pool level 175" nennt sich die von Karin Pernegger anlässlich
des Jahres des Wassers und des diesjährigen Themenschwerpunkts
kuratierte Ausstellung in der alten Schrunser Lodenfabrik. In der
Schau verschmelzen die Blickpunkte der im Dokumentarfilm-Genre
beheimateten Patricia Chen (geboren 1978, lebt in Wien und Taipeh)
und des Fotografen Markus Krottendorfer (geboren 1976, lebt in
Wien).
Prestigeprojekt
Was der Titel in nüchternen Zahlen als den Pegelstand dieses
lange geplanten Prestigeprojektes der chinesischen Regierung
verkündet, dessen Fertigstellung für 2009 erwartet wird, bringen die
beiden jungen Künstler in den fast neutralen Bildern eines
Fünf-Minuten-Videoloops und einer dreiteiligen Fotoreihe zum
Ausdruck. Konzentriert auf ein Szenarium, in dessen Verlauf zwei
Millionen Menschen und 17 Städte umgesiedelt werden, stellen Chen/
Krottendorfer das gleichzeitige Abtragen und Aufbauen einer Stadt in
den Mittelpunkt ihrer Auseinandersetzung.
Dabei ist ihr Blickwinkel weniger von den kritischen Aspekten
geprägt, die die Diskussion um den Drei-Schluchten-Staudamm in
Europa getragen haben (Menschenrechte, Umweltschutz, Vernich tung
von Kulturgütern . . .), sondern kommt vielmehr der Gelassenheit
gleich, mit der sich die chinesische Bevölkerung in ihr Schicksal
fügt.
Parallelprojektion
Mehr noch, wie die beiden Künstler in vielen Gesprächen
feststellen konnten, glaubt die Bevölkerung an Fortschritt und Wohl,
an verbesserte Infrastrukturen. Aber längst profitieren
Grundstücksspekulanten und Immobilienbüros vom Aufschwung und den
Prognosen einer aufsteigenden Marktwirtschaft in der Region, was die
Bevölkerung u.a. mit steigenden Mietpreisen zu spüren bekommt. Doch
davon erzählen die Bilder höchstens zwischen den Zeilen, denn
Chen/Krottendorfer entziehen sich mit ihrem dialogisch geschnittenen
Dokumentarvideo einem redaktionellen Kommentar. Stattdessen lassen
sie die Bilder für sich wirken und dem Betrachter ihre Beurteilung.
In der großflächigen Parallelprojektion, die ein Hineinkippen in die
Bilder erlaubt, scheint diese Rechnung aufzugehen. Im Nebeneinander
von gebauten Häusern und Modellen verschmelzen Realität und Utopie
und wie ein feiner Nebel legt sich eine Patina aus Staub über die
Landschaft.
Aufbruchsstimmung?
Daneben erinnern Schutthaufen und zerstörte Häuser an Bilder aus
Kriegsgebieten und mit einfachsten Hilfsmitteln bearbeiten ein paar
Männer Tonnen von Beton - von Aufbruchsstimmung will man so recht
nicht sprechen.