Eine patscherte Ente mußte daran glauben. Von hinten hält
sie der Mann - die pornographischen Details bleiben dankenswerter Weise
der Phantasie überlassen. Ein Skandal? Das zarte Aquarell, fast
skizzenhaft, ist nur Teil einer vielblättrigen Serie von Siegfried
Anzinger. Vermeintlich unschuldig füllt sie zwei Wände in der Sammlung
Essl in Klosterneuburg. Nur wer den Blick nicht wenden mag, entdeckt die
pikanten Details.
Humorvoller, sinnlicher und spielerischer ist Anzingers
Malerei in den letzten Jahren geworden. Der einstige "Junge Wilde", der
Österreich Anfang der achtziger Jahre verlassen hat, nach Köln zog und in
Düsseldorf Malerei unterrichtet, ist in seiner Heimat eher eine stille
Größe. In der Sammlung Essl werden derzeit seine jüngsten Arbeiten
gemeinsam mit Bildern seiner Frau Marie Luise Lebschik ausgestellt: ein
Aufschrei der Qualität - wer ihn zu hören vermag.
Denn Anzingers Bilder lassen auf die Malerei vertrauen,
die in der heutigen Kunst meist plakativ zu selbstdarstellerischen Zwecken
genutzt wird. Im immer ähnlicher eingesetzten, modischen Realismus werden
die Leinwände und Persönlichkeiten verwechselbar.
Doch Anzinger nahm sich Zeit und entwickelte seinen
eigentümlichen Stil zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Fast
scheint das Abbild verschwunden, verwaschen von unseren Erinnerungen,
Interpretationen - und doch verweilt es noch einen Moment, schemenhaft an
der Oberfläche. Offen, um mit neuen Gedanken aufgeladen zu werden.
Die Farben der Madonna
Anzinger verläßt sich nicht auf eine schnellebige
Themenvielfalt, sondern konzentriert sich in unzähligen Variationen auf
die Zwischentöne, die Komposition - besonders die sanften Farben. So
trifft man ziemlich weltliche Madonnen an, geworfen in alle Lebenslagen:
Als üppige Mutter mit dem prallen Kind tollend, in der Wüste, in Altrosa,
in Rot-Blau, mit vor Morgenröte glühendem Busen. Doch auch klassisch, mit
Schleier und Umhang, argwöhnisch ihren Knaben umsorgend.
In schimmernden Schichten sind die Bilder aufgebaut. Die
Leimfarbe - deren aquarellartige Wirkung der Maler perfekt einzusetzen
vermag - legt sich wie eine transparente Lasur auf die Leinwand. Mit
lockerem Pinsel hingeworfen füllen die sanften Töne die barocken Formen.
Leicht scheint in Anzingers Welt nicht nur die
Bildschöpfung. Auch die Erschaffung der Tiere geht angenehm bequem vor
sich: Eine massige Gestalt liegt in der Badewanne, schwirrt durch die
Wolken, lehnt auf einem Stuhl. Bedächtig hebt sie den Finger - und Ente,
Hasen, Löwen wird das Sein gegeben.
Seltsam tief, unter Augenhöhe gehängt, wird diesen
Bildern ihre Würde genommen, der Zugang vereinfacht.
Zu einfach macht es einem hingegen Marie Luise Lebschik,
die in Klosterneuburg mit ihrem Mann gemeinsam ausstellt. Ihre neuesten
Mädchenbilder lassen die Unschärfe der früheren vermissen, werden in ihrer
Klarheit und Farbengrellheit zu aufdringlich, fast süßlich.
Ein Künstler-Paar mit Unterschieden. Doch diese sollen ja
bekanntlich befruchtend sein.
Bis 2. Februar. Dienstag bis Sonntag 10-19 Uhr,
Mittwoch 10-21 Uhr.
© Die Presse | Wien