Kunstmarkt: Im Vorfeld der Top-Messe "Frieze" in London herrscht Nervosität bei den Marktteilnehmern
Spekulationsblase oder solider Wert?
alt='„Anatomy of an Angel“: Noch im September erzielte der britische
Künstler Damien Hirst für seine Arbeiten trotz der Finanzkrise
Rekordpreise. Foto: reuters '
title='„Anatomy of an Angel“: Noch im September erzielte der britische
Künstler Damien Hirst für seine Arbeiten trotz der Finanzkrise
Rekordpreise. Foto: reuters '
align="right" hspace="0" width="160">
|
„Anatomy
of an Angel“: Noch im September erzielte der britische Künstler Damien
Hirst für seine Arbeiten trotz der Finanzkrise Rekordpreise. Foto:
reuters |
Von Eva Stanzl
Kunstmarkt steht auf dem Prüfstand der Finanzkrise.
Experten erwarten Verlangsamung.
London/Wien.
Ob nach dem Banken-Crash der Kunst-Crash kommt, könnte sich dieser Tage
in der Finanzmetropole London entscheiden. Freitag und Samstag halten
die Auktionshäuser Sotheby‘s und Christie‘s ihre Herbstauktionen ab,
die als Indikatoren für den Gemälde- und Skulpturenmarkt gelten. Im
Vorfeld eröffnet heute, Mittwoch, die sechste Ausgabe der ,"Frieze",
eine der wichtigsten Verkaufsmessen für zeitgenössische Kunst.
Im Vorfeld der Eröffnung geben sich die Messeteilnehmer vorsichtig.
"Es ist, als hätte jemand den Wasserhahn zugedreht", beschreibt ein
Wiener Kurator die Stimmung. Die Galeristen befürchten Umsatzeinbußen,
da die Kunden aus den geldgetriebenen Branchen fehlen: Die Liste der
geladenen Sammler enthält kein "quick money", dessen Eigentümer zum
Boom der letzten Jahre beigetragen haben, und deren Gewichtung ein
Wiener Galerist auf zwischen zehn und 20 Prozent des Gesamtmarkts
schätzt. Der Messeleitung zufolge kommen zudem einige US-Sammler heuer
nicht.
"Wir wissen nicht, wie weit die Krise den Kunstmarkt betreffen
wird", sagt Messechef Matthew Slotover zum "Spiegel Online". Eine
Zitterpartie hat er trotzdem nicht, da die Galeristen ihre Standmiete
(rund 20.000 Euro für einen mittleren Stand von 48 Quadratmetern)
bereits im August bezahlen mussten. Kolportiert wird allerdings, dass
einige nicht teilnehmen, weil ihnen die Kosten zu hoch waren.
"Keine Spekulanten"
"Wir müssen da durch, auch wenn wir weniger Geschäft machen",
erklärt die Wiener Galeristin Helga Krobath, die für das Telefonat mit
der "Wiener Zeitung" ihren Standaufbau kurz unterbricht. Dass die
"Spekulanten" ausbleiben, kümmert sie kaum: "Jemand, der einen wenig
bekannten Künstler für 400.000 Euro kauft, tut dem Markt nichts Gutes.
Eine Beruhigung wäre nicht das schlechteste."
Messechef Slotover will das Ende des Hype bereits 2007 wahrgenommen
haben. "2006 war der Höhepunkt. Tausende von Sammlern riefen ihre
Händler mit dem Auftrag an, dass sie fast jeden Preis für gewisse
Arbeiten zahlen sollten. Die Galeristen wussten nicht, an wen sie
verkaufen sollten", sagt er.
Maria Finders, Europa-Direktorin von Brunswick Arts, die Unternehmen
in ihren Kunstinvestitionen berät, sieht es differenziert: "Es ist
derzeit fast unmöglich, zu sagen, ob der Boom wegen der Finanzkrise
endet, oder ob etwas endet, weil es sowieso nicht funktioniert hat",
sagt sie.
Einerseits sei eine "gewisse Normalisierung" die logische Antwort
auf die letzten Jahre. Da hätten Großmessen dem Kunstmarkt zusätzlichen
Glamour-Faktor verliehen, was Galeristen zu hohen Investitionen bewogen
hätte – bloß, um dabei zu sein. Auch hätten Galeristen im Bestreben zu
verkaufen alle Arten von Menschen auf der Suche nach gesellschaftlicher
Bedeutung auf die Bühne der Kunstszene geholt. Werke wurden zu
Rekordpreisen verkauft – aus fadenscheinigen Gründen: "Christie‘s
versteigerte 15 Jahre alte Kunst aus China zu Spitzenpreisen, weil
Sammler sich den Ruf aufbauen wollten, China-freundlich zu sein",
erklärt Finders.
Dem gegenüber stünde die Tatsache, dass selbst die "echten Sammler",
die sich bisher etwa Drucke von Picasso um 1,5 Millionen Euro
leisteten, sich nun zurückhalten.
Zurückhaltende Käufer
Und nun? Der Wiener Galerist Ernst Hilger sieht eine "Verlangsamung,
aber keinen Preisverfall, und einen soliden Wert, der selbst bei
kurzfristigen Preisschwankungen langfristig gleich bleibt." Als
Galerist habe er mehrere Wirtschaftkrisen erlebt: "Die schlimmste war
der Börsencrash 1989/90. Der Kunstmarkt fiel in den Boden, weil Sammler
die Bilder mit Krediten gekauft hatten, die sie nicht bedienen
konnten", sagt er. Heute erlebe der Kunstmarkt zwar eine
Cashflow-Reduktion. Doch wer jetzt Kunst gekauft hätte, hätte sie "mit
verdientem Geld" gekauft.
Im obersten Preissegment erwartet Hilger keine Veränderung, da das
Angebot klein sei und es wenige Käufer gebe: "Wenn ein Oligarch einen
Lucien Freud kauft, zahlt er auch deswegen zig Millionen dafür, weil es
so wenige Freuds gibt", sagt er. Jedoch hätten auch Sammler Geld
verloren. Er rechnet damit, dass es sich Käufer im Preissegment von bis
zu 200.000 Euro künftig zwei Mal überlegen werden.
Mittwoch, 15. Oktober 2008
Kommentar senden:
* Kommentare werden nicht automatisch
veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen.
Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in
der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer
nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird
online nicht veröffentlicht.