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02.06.2005 - Kultur&Medien / Kultur News
"Koschatzky Kunstpreis": Veredelte Apfelbäume, Todsünden
VON ALMUTH SPIEGLER
Erste Träger: Klaus Mosettig, Rita Nowak, Lisa Holzer.

Bedienen Sie sich. Lösen Sie eines der fragilen Seidenpapierblättchen aus der Bildbox an der Wand. Ein gelbes - oder doch ein violettes? Balancieren Sie es auf der Fingerspitze. Vorsichtig. Jetzt bitte eine kleine Pirouette einlegen, und - wie schön! - das an den Rändern nur leicht eingeknickte Rechteck beginnt sich zu drehen, zu wirbeln. Ein aufs Minimale reduzierter Mini-Propeller, eine akrobatische Herausforderung. Was dieses zauberhafte Kunststück des jungen Zobernig-Schülers Richard Reisenberger in der Nominierten-Ausstellung zu einem Grafik-Wettbewerb verloren hat? Recht viel.
Denn die Grenzen zwischen Malerei, Zeichnung, Skulptur, Objekt, Performance, Fotografie sind seit Jahrzehnten fließend. Dieser Entwicklung hat der "Rotary Club Wien-Albertina" Rechnung getragen, der ein Jahr nach dem Tod des einstigen Albertina-Direktors Walter Koschatzky diesem einen Grafikpreis widmete. Von wegen konservativ! Dagegen steuerte auch die hochkarätige Jury (siehe unten).

Unbeschwert an alle Grenzen

Die Werke der Nominierten waren nun in den Hofstallungen im MQ zu sehen. Einzige Auflagen: Die Künstler müssen unter 35 und die Arbeiten auf Papier sein. Ausnahme: reine, unbearbeitete Fotografien. Doch nicht einmal daran hat man sich beckmesserisch gehalten, wie die Ausstellung zeigt, die unbeschwert an alle Grenzen geht - von total reaktionärer Aktzeichnung bis zu Schriftbild, Miniatur-Installation und perforiertem Schatten-Foto-Objekt, von banalster Alltagsgegenständlichkeit bis zu reiner Monochromie. Eine sehr sympathische Mischung - wenn auch manchmal etwas zu beliebig.

Mittwochabend wurden die drei Hauptpreisträger bekannt gegeben, die sich die Summe von 18.000 Euro teilen. Gleich vorweg: Die wunderbaren Finger-Propeller samt ihrem abstrakt gerasterten Bildspender haben es nicht geschafft. Auf Platz eins kam ein anderer Favorit: Klaus Mosettig und seine feine "Stadienzeichnung Topas", eigentlich nur ein Einblick in ein Projekt, das den 1975 in Graz geborenen Gironcoli-Schüler seit vier Jahren beschäftigt. Die Veredelung von Apfelbäumen, die er real betreibt, fotografiert und zeichnerisch präzise dokumentiert, bezieht er auf gesellschaftliche Strukturen und Utopien, kreuzt etwa die Sorte Jungfernapfel mit den Sorten Kirstin, Cathy, Paulared, Doris oder Elise. Was manchmal zum Tod des Probanden führen kann. Diesem Arbeitskomplex - in den 2003 schon die Galerie Martin Jandas Einblick gab und der auch in der laufenden Österreich-Ausstellung bei der Expo in Japan vertreten ist - stellt Mosettig den Satz des französischen Sozialutopisten Charles Fourier voran: "Die Übergänge sind beim leidenschaftlichen Gleichgewicht, was die Dübel und Verzapfungen bei einem Fachwerk sind." Klar - das ist der Hauptpreis.

Platz zwei für die 1979 in Wels geborene Schlegel-Schülerin Rita Nowak, die in ihrem Foto-Print das inszenierte "Porträt eines Sünders" zeigt: ein geordnet chaotisches Arrangement zu Hieronymus Boschs' Sieben Todsünden. Eine Fotokünstlerin folgt auch auf Platz drei: Die Wienerin Lisa Holzer (Jahrgang 1971), bekannt aus Ausstellungen wie "Abstract Now" im Künstlerhaus, druckte in "Die Deutlichkeit a charlatan pose" wenig Deutliches, aber durchaus Scharlatanisches auf Büttenpapier. Für sieben weitere Künstler gab es Ankaufspreise. Alle anderen müssen warten - zwei Jahre, dann wird der Preis das nächste Mal vergeben.

http://www.koschatzkykunstpreis.at/

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