Bedienen Sie sich. Lösen Sie eines der fragilen Seidenpapierblättchen
aus der Bildbox an der Wand. Ein gelbes - oder doch ein violettes?
Balancieren Sie es auf der Fingerspitze. Vorsichtig. Jetzt bitte eine
kleine Pirouette einlegen, und - wie schön! - das an den Rändern
nur leicht eingeknickte Rechteck beginnt sich zu drehen, zu wirbeln. Ein
aufs Minimale reduzierter Mini-Propeller, eine akrobatische
Herausforderung. Was dieses zauberhafte Kunststück des jungen
Zobernig-Schülers Richard Reisenberger in der Nominierten-Ausstellung zu
einem Grafik-Wettbewerb verloren hat? Recht viel.
Denn die Grenzen
zwischen Malerei, Zeichnung, Skulptur, Objekt, Performance, Fotografie
sind seit Jahrzehnten fließend. Dieser Entwicklung hat der "Rotary Club
Wien-Albertina" Rechnung getragen, der ein Jahr nach dem Tod des einstigen
Albertina-Direktors Walter Koschatzky diesem einen Grafikpreis widmete.
Von wegen konservativ! Dagegen steuerte auch die hochkarätige Jury (siehe
unten).
Unbeschwert an alle Grenzen
Die Werke der Nominierten waren nun in den Hofstallungen im MQ zu
sehen. Einzige Auflagen: Die Künstler müssen unter 35 und die Arbeiten auf
Papier sein. Ausnahme: reine, unbearbeitete Fotografien. Doch nicht einmal
daran hat man sich beckmesserisch gehalten, wie die Ausstellung zeigt, die
unbeschwert an alle Grenzen geht - von total reaktionärer
Aktzeichnung bis zu Schriftbild, Miniatur-Installation und perforiertem
Schatten-Foto-Objekt, von banalster Alltagsgegenständlichkeit bis zu
reiner Monochromie. Eine sehr sympathische Mischung - wenn auch
manchmal etwas zu beliebig.
Mittwochabend wurden die drei
Hauptpreisträger bekannt gegeben, die sich die Summe von 18.000 Euro
teilen. Gleich vorweg: Die wunderbaren Finger-Propeller samt ihrem
abstrakt gerasterten Bildspender haben es nicht geschafft. Auf Platz eins
kam ein anderer Favorit: Klaus Mosettig und seine feine "Stadienzeichnung
Topas", eigentlich nur ein Einblick in ein Projekt, das den 1975 in Graz
geborenen Gironcoli-Schüler seit vier Jahren beschäftigt. Die Veredelung
von Apfelbäumen, die er real betreibt, fotografiert und zeichnerisch
präzise dokumentiert, bezieht er auf gesellschaftliche Strukturen und
Utopien, kreuzt etwa die Sorte Jungfernapfel mit den Sorten Kirstin,
Cathy, Paulared, Doris oder Elise. Was manchmal zum Tod des Probanden
führen kann. Diesem Arbeitskomplex - in den 2003 schon die Galerie
Martin Jandas Einblick gab und der auch in der laufenden
Österreich-Ausstellung bei der Expo in Japan vertreten ist - stellt
Mosettig den Satz des französischen Sozialutopisten Charles Fourier voran:
"Die Übergänge sind beim leidenschaftlichen Gleichgewicht, was die Dübel
und Verzapfungen bei einem Fachwerk sind." Klar - das ist der
Hauptpreis.
Platz zwei für die 1979 in Wels geborene
Schlegel-Schülerin Rita Nowak, die in ihrem Foto-Print das inszenierte
"Porträt eines Sünders" zeigt: ein geordnet chaotisches Arrangement zu
Hieronymus Boschs' Sieben Todsünden. Eine Fotokünstlerin folgt auch auf
Platz drei: Die Wienerin Lisa Holzer (Jahrgang 1971), bekannt aus
Ausstellungen wie "Abstract Now" im Künstlerhaus, druckte in "Die
Deutlichkeit a charlatan pose" wenig Deutliches, aber durchaus
Scharlatanisches auf Büttenpapier. Für sieben weitere Künstler gab es
Ankaufspreise. Alle anderen müssen warten - zwei Jahre, dann wird der
Preis das nächste Mal vergeben.
http://www.koschatzkykunstpreis.at/