Crash oder Vereinigung? Was passiert, wenn Emo tion und Ratio aufeinan
der prallen? "Corpus Callosum", so nennt die Wissenschaft diese rasante
Rennstrecke der Nervenfasern zwischen linker und rechter Gehirnhälfte
sowie Manfred Hebenstreit seine Ausstellung im Palais Harrach. Wie in
diesem hochsensiblen Strang prallen auch in seinen Bildern Abstraktion und
Expression aneinander - kein Crash, sondern Vereinigung.
KHM-Generaldirektor Wilfried Seipel widmet dem 1957 in
Altheim, Oberösterreich geborenen Maler eine mit 120 Arbeiten schön
ausführliche Retrospektive. Dabei gibt Seipel angenehm offen zu, dem
Künstler seit seiner Zeit an der Oberösterreichischen Landesgalerie
persönlich verbunden zu sein. Subjektive Auswahl muss kein Schaden sein,
kann doch das intensive, extrem geradlinige Werk Hebenstreits als echte
Entdeckung für Wien bezeichnet werden. Noch nie wurde es hier in größerem
Rahmen ausgestellt.
Nach Jahren in München 1995 wieder in seine Heimat
zurückgekehrt, schaffte er im Gegensatz zu seinen Kollegen Siegfried
Anzinger, Hubert Schmalix oder Hubert Scheibl keinen internationalen
Durchbruch. Dabei waren die Vorzeichen ähnliche: Alle stammen sie aus
Oberösterreich, sind in etwa gleich alt und profitierten vom Malerei-Boom
Anfang der 80er Jahre. In seiner abstrakten Bildsprache ist Hebenstreit
jedoch am sprödesten, und heute frönt die junge Kunst mehr denn je dem
schnellen, wilden Erlebnis.
In kräftigen Strichen, erdigen Farben, einfachen, teils
plumpen, schweren Formen kanalisiert der ernste Künstler seine Umwelt,
seine ausgedehnten Reisen. Landschaften könnte man hier sehen, Äste,
Figuren - und vor allem Licht. Diesem Bedürfnis nach "Scheinen" gab
Hebenstreit in letzter Zeit etwas zu viel nach und produzierte zwei Serien
Glasbilder. Ein für fast alle Künstler gefährliches Material-Abenteuer.
Die Objekte schrammen nur knapp am dekorativen Kitsch vorbei.
Ganz anders seine kleinformatigen Serien, die auf der
kroatischen Insel Krk entstanden, oder die "Irak-Bilder", nachträglich so
benannt, als sich Hebenstreits Farben 1991 als unbewusste Reaktion auf den
Krieg verdunkelten.
Bis 10. August. Tägl. 10-18 Uhr.
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