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Leopold: Erste Einigung zu Schieles "Häuser am Meer"

11.05.2011 | 11:28 |  (DiePresse.com)

"Häuser am Meer" wurde von den Nazis geraubt. Das Leopold-Museum zahlt der Enkelin von Jenny Steiner knapp 3,5 Millionen Euro für ihren Anspruch auf das Bild. Es gibt aber noch weitere Erben.

In den Restitutions-Fall um das Gemälde "Häuser am Meer" von Egon Schiele kommt Bewegung: Die Leopold Museum Privatstiftung hat sich mit der einzigen Enkelin der Vorbesitzerin Jenny Steiner auf einen Vergleich geeinigt. Die Stiftung verpflichtet sich zu einer Zahlung von 5 Millionen Dollar (3,48 Millionen Euro) an die Erbin für ihren Drittel-Anteil. Das gaben der Stiftungs-Vorstand und der Vertreter der Erbin, Rechtsanwalt Alfred Noll, am Mittwoch bekannt. Das Bild soll 25 Millionen Dollar wert sein. Drei Erbengruppen haben Anspruch auf einen Anteil des Bildes.

"Dieses Bild ist Raubkunst"

Dass es so lange dauerte, bis eine Lösung gefunden wurde, sei "ein Versagen des österreichischen Gesetzgebers", der für von den Nationalsozialisten gestohlenen Besitz keine klare Lösungen geschaffen habe, sagt Noll. Denn "es war seit jeher klar: Dieses Bild ist Raubkunst. Es wurde von den Nazis Jenny Steiner gestohlen."

Das 1938 von den Nationalsozialisten beschlagnahmte Gemälde gehörte der Industriellen und Kunstsammlerin Eugenie "Jenny" Steiner, geborene Pulitzer (1863-1958). Unmittelbar nach dem "Anschluss" musste sie nach Paris flüchten und emigrierte später in die USA. 1941 wurde die 1914 von Schiele gemalte Stadtlandschaft bei einer Auktion im Dorotheum von Josefine Ernst erworben, deren Sohn das Bild 1955 an Rudolf Leopold verkaufte.

Für Forscher eindeutig restitutionswürdig

Seit langem ist der Vorbesitz von Jenny Steiner bekannt. Als Privatstiftung ist das Leopold Museum jedoch nicht an das Kunstrückgabegesetz gebunden. Bereits im Jahr 2000 hatte Elisabeth Leopold, Ehefrau des 2010 verstorbenen Kunstsammlers und Vorstandsmitglied der Stiftung, gesagt: "Wir ringen um einen Vergleich."

Von unabhängigen Provenienzforschern wurde "Häuser am Meer" als restitutionswürdig eingeschätzt. Zu diesem Ergebnis kam im Vorjahr auch ein vom Kulturministerium eingerichtetes Beratungsgremium zu umstrittenen Kunstwerken im Leopold Museum ("Michalek-Kommission").

"Nach langen Verhandlungen ist es gelungen, eine faire und gerechte Lösung herbeizuführen", sagte Noll am Donnerstag. Das Bild werde - ähnlich wie das "Wally"-Porträt - mit einem Begleittext versehen, der "an die bewegende Geschichte des Bildes und an Jenny Steiner erinnern" soll.

Drei Erbengruppen, aber kein Verkauf

Bei "Häuser am Meer" gibt es drei Erbengruppen (Helmut Moser, dem Vorstandsvorsitzenden der Leopold Museum Privatstiftung, spricht von einer Gruppe in England sowie eine Gruppe von Stiftungen und Fonds in den USA) und verschiedenste Interessen. Neben Jenny Steiners Enkelin haben auch zwei Erbengruppen, die von dem Wiener Anwalt Martin Maxl vertreten werden, Anspruch auf das Bild. Ursprünglich soll Sammler-Sohn Diethard Leopold den Vorschlag gemacht haben, das Gemälde zu verkaufen und den Erlös aufzuteilen. Die von Maxl vertretenen Erbengruppen sollen auf diesen Vorschlag eingegangen sein, berichtet die Tageszeitung "Der Standard".

Für den Stiftungs-Vorstand scheint eine Versteigerung von "Häuser am Meer" jedoch nicht in Frage zu kommen: Sie sehen das Bild als unverzichtbaren Bestandteil der Sammlung an. Die Stiftung habe den Erben Ende März ein bis Mitte April gültiges Angebot unterbreitet, wonach die Erben 60 Prozent des auf 25 Millionen Dollar geschätzten Preises erhalten sollten. Im Gegensatz zu den von Maxl vertretenen Erbengruppen hat die Enkelin von Jenny Steiner dieses Angebot nun offenbar angenommen.

Wie es nun weitergeht, ist noch nicht ganz klar. "Wir werden sehen, was die Zukunft bringt", sagt Noll. Elisabeth Leopold: "Das ist ein Anfang."

Für "Wally" machte man Schulden

Mit dem Vergleich zu "Häuser am Meer" könnte das Leopold-Museum seinen zweiten spektakulären Restitutions-Fall bald gelöst haben. Im vergangenen Sommer hat das Museum fast 15 Millionen Euro für die Rückholung des Schiele-Gemäldes "Bildnis Wally" bezahlt. Nach einer Beschlagnahmung in New York und einem zwölfjährigen Rechtsstreit mit den Erben der ursprünglichen Besitzerin Lea Bondi-Jaray war das Bild im Sommer 2010 nach Wien zurückgebracht worden.

Um die für den "Wally"-Vergleich aufgenommenen Schulden zu tilgen, wir am 22. Juni im Rahmen der Sommeraktion bei Sotheby's das Schiele-Gemälde "Häuser mit bunter Wäsche" (1914) in London versteigert. Der Schätzwert liegt bei rund 30 Millionen Euro.


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