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Jonas Burgert: Der schöne Dreck

24.03.2011 | 15:52 | von Johanna Hofleitner (Die Presse - Schaufenster)

Der deutsche Künstler Jonas Burgert galt bis vor Kurzem als Insidertipp. Jetzt bestellen Sammler Bilder, die noch gar nicht gemalt sind.

Mächtige Mythenbilder von Anselm Kiefer während der Sommerfestspiele sowie „Welt-Aquarelle“ von Georg Baselitz zu den Osterfestspielen bei Thaddäus Ropac. Parallel dazu Skulpturen und Malerei der langjährigen Künstlerfreunde und Malerfürsten Jörg Immendorff und Markus Lüpertz im Salzburger Museum der Moderne. Im Herbst dann eine Paarausstellung mit Neo Rauch und dessen Frau Rosa Loy in der Sammlung Essl sowie ebendort im Vorfeld die demokratische Installationskunst von Tobias Rehberger, Star der letzten Venedig-Biennale. Und dazu knapp vor Jahresende die radikale Farbfotografie des Leipziger Dokumentaristen Joachim Brohm in der Linzer Landesgalerie: Jaja, quer durchs Land haben die „Deutschen“ definitiv Fixplätze im Ausstellungskalender der österreichischen Kunsthäuser. Mit Namen wie den Genannten ist das Risiko überdies gering und der Publikumserfolg fast schon vorprogrammiert.
Einen, der bislang eher nur Insidern geläufig gewesen ist, schickt jetzt die Kunsthalle Krems ins Rennen: Jonas Burgert, dessen Bilder in Österreich 2008 schon einmal in der Stadtgalerie Schwaz zu sehen waren. „Lebendversuch“ heißt nun die erste große Museumspersonale des 42-jährigen Berliners, der in den Jahren nach dem Malereistudium in erster Linie als Erfinder und Organisator der „Fraktale“, eines Offspace-Festivals zur zeitgenössischen Kunst mit Newcomern und Arrivierten, auf sich aufmerksam machte.
Vom einmal eingeschlagenen Weg als figürlicher Maler hatte sich Burgert dennoch nie abbringen lassen, auch wenn er sich jahrelang nur mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten konnte. Der Spagat zwischen der Gegenständlichkeit und der Erzeugung einer verschlüsselten, entrückten und fantastischen Atmosphäre ist von Beginn an seine Sache gewesen, doch Anfang des letzten Jahrzehnts war die Zeit für derlei Inhalte noch nicht reif – bis zu Burgerts Beteiligung an der Gruppenausstellung „Geschichtenerzähler“, 2005 in der Hamburger Kunsthalle, in der Christoph Heinrich, Leiter der Galerie der Gegenwart, seine Bilder neben jenen von Neo Rauch zeigte. Ab da ging es rasant bergauf, Sammler wurden hellhörig. Der Kunstmarkt lieferte 2006 den beinharten Beweis in Form eines legendären Auktionsresultats, bei dem ein auf 5000 bis 7000 Euro taxiertes Gemälde auf 32.000 Euro kletterte und damit als teuerstes Los des Abends wegging. Heute stehen die Sammler Schlange und ordern Bilder, die nicht einmal noch gemalt sind.

Kampf bis zum Schluss. Trotzdem ist Jonas Burgert vor einer Ausstellung immer noch nervös, zumal er sich selbst als langsamen Arbeiter beschreibt, der die „atmosphärische Idee einer Bildthematik“ zwei Wochen mit sich herumträgt und erst, „wenn diese Idee besteht“, zu malen beginnt. Jetzt, vor der Eröffnung seiner großen One-Man-Show in der Kunsthalle Krems, hat er fast bis zum Schluss gemalt. Nicht, dass zuwenig Material für die Ausstellung vorläge. Immerhin hat die Personale des Shootingstars vor Kurzem bereits in der Kunsthalle Tübingen erste Station gemacht. Aber für die Kremser Präsentation hat Jonas Burgert noch ein spezielles Bild vorgesehen. Mit den Dimensionen vier mal sieben Meter zählt es zu seinen „größeren“. Doch es ist nicht das Format selbst, das er mittels Leiter und Gerüst bewältigt, was ihm Kopfzerbrechen bereitet. „Ich liebe ja große Formate“, sagt er. „Doch da es ein sehr kompliziertes Bild mit vielen Figuren ist, werde ich wohl bis zur letzten Sekunde kämpfen.“ Bereits vor Wochen hat er das kundgetan und es jetzt noch einmal beteuert.

Welttheater. Damit beschreibt er im Grunde viele seiner Bilder. Immer wieder wimmelt es da von Figuren, die zwar als menschliche erkennbar sind, aber dann doch nicht genauer bestimmt werden können. Bald gibt es Anklänge an Schamanen und Zauberer, bald an Figuren der Commedia dell’Arte, bald an archaische Typen wie Krieger, Jäger, Sammler. Theatralik blitzt immer wieder auf, was einige seiner Interpreten veranlasst, seine Werke als Welttheater zu deuten. An die Stelle von Handlung oder Erzählung tritt die Erzeugung einer Atmosphäre. „Die Grundidee meiner Bilder ist die Bühne zu malen, auf der das Ringen um geistige Repräsentanz stattfindet. Eine Bühne, auf der der Mensch sich selbst definiert in all seinen Absurditäten, Widersprüchen, Hoffnungen und Sehnsüchten . . . Vielleicht klingt das vermessen, aber ich bin der Meinung, dass diese Begrifflichkeiten nicht anders zu benennen sind. Dieser Prozess hinterlässt Spuren, weshalb ich oft Szenerien male, in denen das Resultat einer Handlung zu sehen ist – der ,schöne‘ Dreck eines inneren Kampfes.“ Dabei ist ihm vor allem eines wichtig: „Der Zeitpunkt und der Ort, an dem die Szenerie stattfindet, soll nicht klar definiert sein, da diese grundsätzliche Auseinandersetzung mit sich selbst ein zeitloses Phänomen ist. Im Prinzip geht es immer um eine symbolische, existenzielle Geste des Menschen.“ Ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit, den er zum Markenzeichen gemacht hat.


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