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vom 25.02.2011 - Seite 023
Der mit dem Roboter telefoniert

Mit "Create The World" steuert Ars Electronica ab morgen eine Ausstellung zur Jugendreihe "Kids Carnival" der Biennale in Venedig bei. Die OÖNachrichten sprachen mit dem künstlerischen Leiter Gerfried Stocker über den neuen Jugendschwerpunkt, ein Leben mit Robotern und unsere technologische Überforderung.

Von Bernhard Lichtenberger

OÖN: Was kann über das Ars Electronica Festival 2011 schon gesagt werden?

Stocker: Unabhängig vom Festival wird uns ein Thema das ganze Jahr beschäftigen, die Jugend- und Schularbeit. Die Benutzung des AEC durch die Schulen ist mit dem neuen Haus extrem gestiegen, auch wegen der naturwissenschaftlichen Angebote und weil wir in der Entwicklung von Ausstellungen von Anfang an darauf Wert gelegt haben, mit den Lehrern zu reden, damit das, was wir anbieten, auch wirklich in ihren Unterricht passt. Daraus ist ein Kompetenzpool für kulturelle Bildung geworden. Diesen Punkt wollen wir stärker ins Festival hineintragen. Da haben wir zwar seit 1998 den Dauerbrenner des u-19-Wettbewerbs, der aber wie die Kinder- und Jugendarbeit beim Festival immer etwas stiefmütterlich behandelt wird.

OÖN: Was wird verbessert?

Stocker: Wir brauchen eine eigene Plattform, auf der sich die nächste Generation präsentieren kann und auf der auch ihre Anliegen diskutiert werden. Der u-19-Auftritt bei der Biennale in Venedig ist so etwas wie das Startsignal zu dieser neuen Idee, deshalb heißt die Ausstellung auch "Create Your World", was gleichzeitig der Slogan ist, unter dem unsere Jugend- und Schulkompetenzen gebündelt werden.

OÖN: Ihr Auftritt in Venedig?

Stocker: Wir zeigen, was die Kids selbst machen, und Projekte, die dazu gemacht sind, damit man den spielerischen, kreativen Geist anfeuern kann.

OÖN: Wie wird sich der u-19-Wettbewerb verändern?

Stocker: 1998 war das Wichtigste die Auseinandersetzung mit den Computern als kreatives Werkzeug für Kinder. Mittlerweile ist der Computer für die Jugend so eine Selbstverständlichkeit, dass man guten Gewissens den nächsten Schritt gehen und diese Generation dazu bringen kann, an der Gestaltung ihrer eigenen Zukunft mehr teilzunehmen.

OÖN: Welche Rolle will, kann oder muss Ars Electronica im neuen Musiktheater spielen?

Stocker: Da gibt es Gebäudeaspekte wie die künstlerische Gestaltung der Rückseite - es ist eine riesige Herausforderung, dass das nicht nur eine Art Straßenschlucht zum Bahndamm wird. Aber ich denke auch daran, in der Bespielung ein spezielles Charakteristikum einer Programmgestaltung für so ein Musiktheater zu machen. Es geht hier notwendigerweise nicht nur um Medientheater, denn wenn ich 365 Tage im Jahr nur das sehe, sind die Leute schneller weg, als sie kommen. Es muss, auch von der technischen Ausstattung her, ein Ort werden, auf den man weltweit deshalb hinschaut, weil hier Dinge passieren, die woanders nicht passieren - und zwar in dem Bereich, in dem wir gut sind.

OÖN: Im März beschäftigt sich das AEC in einer Ausstellung damit, wie man Robotik sinnvoll in das Leben integrieren kann. Wie würde dann ein Tag im Leben des Gerfried Stocker aussehen?

Stocker: Das würde etwa so aussehen, dass ich mein erstes Telefonat bekäme und nicht in die Tasche greife und mein Handy herausnehme. Stattdessen ruft ein Roboter vom Sofa, auf dem er gestern Abend liegengeblieben ist, herüber - mit der Mimik, Sprache und Bewegung der Person, die mich gerade anruft. Eine andere Geschichte wäre, dass ich vielleicht meine Eltern oder Großeltern mit Alzheimer oder Demenz in einem Pflegeheim hätte. Denen bringe ich einen Roboter mit, den es schon gibt: Paro schaut aus wie eine Stofftier-Seerobbe, reagiert auf die Beschäftigung mit ihm und fordert auch. Er will gestreichelt werden, signalisiert Hunger, quiekst ein bisschen. Das bringt unheimlich viel an therapeutischer Wirkung, weshalb schon Tausende dieser Roboter in Altenheimen im Einsatz sind. Bei der nächsten Untersuchung würden wir einen Roboter schlucken, der eine Darmspiegelung von innen macht, oder ein kleiner Nanoroboter wird eingespritzt und fährt die Medikamente in den Blutgefäßen genau dort hin, wo sie gebraucht werden. Natürlich werden wir uns in einem eigenen Ausstellungsbereich auch damit beschäftigen, was durch die Maschinen alles kaputtgehen kann, wie Roboter für das Militär entwickelt werden.

OÖN: Trend zum Zweithandy, Tablets, Dauervernetzung, Facebook - zeigt sich dazu nicht auch eine Bewegung zurück zu einem einfacheren Leben?

Stocker: Nachdem das Rückentwickeln nicht geht, müssen wir in der Weiterentwicklung der Technologie dafür sorgen, dass eine Komplexitätsreduktion passiert. Die Effizienzsteigerung, die man sich von der Technologie erhofft und erwartet, kann nur dann passieren, wenn die Nutzung auch effizienter wird. Das Entscheidende ist das Gefühl der Überforderung.

OÖN: Sind wir überfordert?

Stocker: Die Überforderung des Steinzeitmenschen, der schauen musste, wie er die nächste Nacht überlebt oder den nächsten Winter, war nicht geringer als unsere heutige, wenn es darum geht, einen Parkplatz zu finden oder die richtigen Nachrichten von Handy, Twitter, Zeitung, Fernsehen herauszufiltern.

OÖN: Haben Sie noch eine Freude an E-Mails?

Stocker: Naja, eine Freude? Es gab eine Zeit, in der war blanke Begeisterung dafür da. Aber irgendwann wird auch die E-Mail zu etwas, das Arbeit bedeutet. Die große kulturelle Leistung, die wir als Gesellschaft und als Individuen schaffen müssen, ist, uns vom Kommando und dem Druck dieser Medien- und Nachrichtendienste zu befreien. Wir müssen lernen, die Prioritäten zu setzen. Man hat nie für etwas Zeit, man muss sich die Zeit nehmen. Das Wiederbesinnen und das Zurückführen des eigenen Denkens auf die durchaus banalen, aber seit Jahrtausenden gültigen Dinge des Lebens wird sicher die kommende Zeit wieder stärker prägen.

OÖN: Wenn Sie als Kulturmensch durch diese Stadt gehen: Was ist von Linz09 geblieben?

Stocker: Die Tatsache, dass seither im Kulturleben dieser Stadt schon wieder so viel passiert ist, ist eines der besten Zeichen dafür, dass gut war, was 09 passiert ist. Wenn ich mir die Zahlen an Leuten anschaue, die wir seither ins Museum gekriegt haben, dann ist das eine Auswirkung von Linz09. Es wäre eine Überforderung, anzunehmen, dass sich jetzt ganz Linz verändert hat, aber es ist eine Dynamik da, die ich schon allein dann merke, wenn die Touristiker mit den Kulturleuten zusammensitzen.

Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter des Linzer AEC und des Ars Electronica Festivals

Bei der nächsten Untersuchung würden wir einen Roboter schlucken, der eine Darmspiegelung von innen macht.

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Gerfried Stocker




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