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27.02.2003 17:19

Jetzt endlich Durchbruch!
Wie sich der österreichische Künstler Hans Schabus in die Secession am Wiener Karlsplatz gräbt



Der österreichische Künstler Hans Schabus gräbt sich in die Secession. Man muss Tunneln folgen, um den Hauptraum und damit das ewig Gleiche zu finden.




Wien - Hans Schabus ist Astronaut. Er ist permanent auf der Flucht, sucht all den Räumen zu fliehen, die letztlich doch nur als Behauptung existieren - als beliebige Claims, abgesteckt, die Nachbarn auf Distanz zu halten, sich abzuheben. Für den Raumfahrer gibt es keinen Gartenzaun, ihm ist Raum überall gleich unendlich. Sein persönlicher Claim durchdringt alle anderen, reist, dem fliehenden Körper untrennbar umschrieben, mit ihm durchs All. Was bedeutet, dass Flucht, so wie jedes Tun, nichts bedeutet, zumindest aber die Zeit vertreibt.

Einen seiner Fluchtversuche hat Hans Schabus von seinem Atelier aus unternommen, hat dort begonnen, einen Schacht zu graben. Das Aushubmaterial hat im Atelier dann eben genau jenen Platz weggenommen, den er sich im Erdreich freigeschaufelt hat. Dennoch hat er weitergegraben. Weil er in die Secession kommen musste. Und klarerweise hat er dort exakt den Raum vorgefunden, den sein Atelier umschreibt. Detailgetreu, mit jeder Fensternische, jedem Niveauunterschied.



Der Weg dorthin war lang, einsam, aber abenteuerlich. Nicht jeder Meter musste gegraben werden. Andere Astronauten haben die Stadt zuvor schon unterminiert. Deren Spuren konnte man zu Fuß oder - im Wiener Kanalsystem - mit einem Segelboot der Optimistenklasse folgen. Und weil dem Raumfahrer Schabus auch Pathos nicht fremd ist, hat er sich dem Naheliegenden nicht widersetzt und an den Dritten Mann gedacht.

Gerade einmal zwei Mauerdurchbrüche später war er wieder im Atelier. Hat die Tür ins Freie geöffnet und fand sich im Hauptraum der Secession wieder. Und fand bestä 3. Spalte tigt, was als Antrieb hinter seinen Grabungen stand: Es war der einzig mögliche Weg dorthin. Der Raum ist ein echter White Cube, er ist fenster- wie türlos. Hans Schabus war es vorbehalten, die Grabkammer einer fernen Kultur aufzubrechen, den heiligen Ort der endgültigen Aufstellung praktisch völlig nutzloser Unikate.

Und natürlich hat ihn der Fluch getroffen. Er kann sein Atelier nicht abschütteln, sein Erfahrungsraum wird ihn, wodurch er sich auch buddelt, wohin er sich auch katapultiert, begleiten.

Obwohl Schabus ausschließlich für sich gräbt ("es gräbt sich jeder sein eigenes Loch"), ist er bereit (auch wegen des Lebensunterhalts), seine Erfahrungen zu teilen. Jene Abschnitte seines Tunnelsystems, die durch Keller, auf wiederentdeckte Stiegen und in Putzkammern der Secession führen, hat er begrenzt öffentlich zugänglich gemacht. Die physisch wie ^psychisch anspruchsvolleren Passagen seines metaphorischen Loops vom eigenen Atelier ins eigene Atelier hat er auf Video festgehalten.

Personal achtet streng darauf, dass die Nachreisenden Schabus' Grabrichtung exakt einhalten, dass keiner glaubt, es gäbe ein Zurück. Gibt es auch nicht. Der Fluchtweg Haupteingang ist bis 27. 4. fest vermauert. Parallel dazu sind in der Galerie Kerstin Engholm weitere Reiseberichte und Skizzen von Hans Schabus zu sichten. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.2.2003)


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