Bevölkerung ist Hauptdarsteller

Politik und Kunst - beim Festival der Regionen lösen sich die Grenzen auf.


Menschen knien vor Zimmer- und Hauswänden. Die Aufnahmen wecken zum Teil Assoziationen mit Fotos von Gefangenen, die auf ihre Exekution warten. Schon das Werbeplakat für das diesjährige Festival der Regionen strahlt eine eigentümliche Ungemütlichkeit aus, die sich im Graubereich zwischen beißender Ironie und oberflächlicher Harmlosigkeit befindet. Die meisten Festivalsprojekte sind in dieser Randzone angesiedelt.

Die Zeiten haben sich geändert

Festival der Regionen 2001
Festival der Regionen 2001

"Das Ende der Gemütlichkeit" thematisiert das ur-österreichische Bedürfnis nach Harmonie und Glückseligkeit. Die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Veränderungen haben mit der für Österreich typischen Verspätung - aber doch - den Eishauch der Globalisierung ins Land geweht. Hinter euphemistischen Schlagworten von Strukturanpassung und Flexibilisierung, verbirgt sich die raue Wirklichkeit des globalisierten Kommunikationszeitalters. Massenentlassungen und Wiedereinstellung eines Teils der Beschäftigten zu schlechteren Bedingungen, Lohndumping um den Standort zu sichern, das Auseinanderbrechen der familiären Strukturen und eine zunehmende Privatisierung der sozialen Risken sind die Folgen.

Die mit dieser Entwicklung verbundenen Veränderungen haben eine zunehmende Entsolidarisierung der Gesellschaft zur Folge. Die Kompensation der flacher werdenden Sozialkontakte erfolgt durch endorphintreibendes "Fun-Shoppen".
Die Aufarbeitung der gesellschaftlichen, sozialen und politischen Konsequenzen dieser Entwicklungen ist der Ausgangspunkt sämtlicher Projekte des Festivals.

Der Landeshauptmann singt

Ob Eröffnungsreden für Politiker gemütlich sind bleibt dahingestellt. Bei Kunstprojekten, die vom Land gefördert werden, damit sie überhaupt stattfinden können, kann man normalerweise davon ausgehen, dass der Landeshauptmann spricht. Weil nun auch über Oberösterreich das Ende der Gemütlichkeit hereingebrochen ist, wird der oberösterreichische Landeshauptmann keine Eröffnungsrede halten. An Stelle einer offiziellen Laudatio wurde eine Rede des Landeshauptmannes vom Dezember 2000 kompositorisch überarbeitet.

Wo der Schuh drückt

Nicht nur die Repräsentanten der Politik müssen bei der Eröffnung auf gewohnte Rituale verzichten, auch das Publikum wird den Maximen der Zeit entsprechend zu mehr Flexibilität und Selbstverantwortung aufgefordert.

"Wo drückt der Schuh?", Manu Pfaffenberger

5.000 Paar gebrauchte Schuhe stehen bei der Eröffnung des Festivals am Hauptplatz Freistadt nebeneinander in Reih und Glied. Auf manchen Schuhen sind Zettel angebracht, auf die die Vorbesitzer geschrieben haben wo sie der Schuh drückt. Unter der künstlerischen Leitung von Kurt Palm kann sich der Besucher sein persönliches Eröffnungsprogramm zusammenstellen. 20 Kurzinstallationen sind am 22. Juni, ab 20 Uhr 30 am Freistädter Hauptplatz zu sehen. Die Aktionen wiederholen sich. Wie oft man was in welcher Reihenfolge sehen will, bleibt den Zuschauern überlassen.

"Was von uns übrig bleibt", Kurt Palm

Link: Festival der Regionen

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