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Malerei: Bodenkunst aus Vogelperspektive

03.07.2010 | 18:42 | von Almuth Spiegler (Die Presse)

2700 Quadratmeter Malerei: Hannes Mlenek hat an der Grenze Waldviertel/Tschechien ein Erlebnis für alle geschaffen, die es wagen, in die Luft zu gehen.

Seine Frau habe protestiert, als sie ihm einmal bei der Arbeit half und dabei George Clooney übermalen musste, berichtet Hannes Mlenek und lacht. Schließlich haben er und seine Kunst gewonnen. Für das bisher größte Projekt seines mit Superlativen sowieso nicht sparsamen Werks musste er auch mit alten Werbeplakaten arbeiten, mit Vinylnetzen, um die unglaublich Fläche zu bewältigen: Insgesamt 2700 Quadratmeter expressive, zeichenhafte Malerei in Schwarz, Weiß und Rot mussten erdacht, erschaffen und schließlich im Freien, im Grenzgebiet zwischen nördlichem Waldviertel und südlichem Tschechien aufgelegt und fixiert werden. 600 Kilo Farbe hat Mlenek insgesamt verbraucht. Eine 2200 Quadratmeter große Halle in der Wiener Ankerbrotfabrik hat er gemietet und dort seit Mai ohne Pause gemalt. 4500 Hering-Stifte mussten zum Fixieren in den harten Boden geschlagen werden – „eine Marathongeschichte bis zum Schluss“, seufzt Mlenek.

Inspiriert von Scharrbildern in Peru. Jetzt ist er fertig, er hat seinen ganz persönlichen „Grenzgang“ geschafft – und ist „sehr zufrieden, es ist optisch toll geworden“. Am 10. Juli wird „Airfield Transboundary“ im Rahmen des niederösterreichischen „Viertelfestivals“ eröffnet. Erfahrbar, überhaupt erkennbar, sind die Motive der fünf in der Landschaft verteilten Bildflächen allerdings nur aus der Luft. „Sonst hat man nichts davon“, meint Mlenek. „Man wird zum Passagier.“ Eine Anregung für diese „andere Sehweise“ waren die berühmten, ebenfalls nur aus der Luft erkennbaren Scharrbilder von Nasca in Peru.

Drei viersitzige Motorflugzeuge stehen zur Besichtigung der Waldviertler Variante auf dem Flugplatz Dobersberg bereit; weitere können bei größerer Nachfrage angefordert werden. Ein Rundflug dauert etwa eine halbe Stunde und kostet 60 Euro pro Person. Über jedem Motiv werden zwei Kreise gezogen, dann zeigt ein durch und aus dem Bild laufender „roter Faden“ dem Piloten an, in welche Richtung es weitergeht. Mlenek hofft zusätzlich auf „viele Freizeitpiloten“.

Diese können Positionen anfliegen: eine in Tschechien bei einem Schloss, eine direkt an der Grenze, die restlichen drei im Waldviertel, eine Skipiste in Drobersberg, die Libnitzmühle und einen Steinbruch. „Die Bilder hängen alle thematisch zusammen – ich habe mich mit der Region beschäftigt.“

Doch was genau ist auf ihnen zu sehen? Mlenek, der sonst an der Grenze zur Abstraktion arbeitet, wurde hier nicht nur stilistisch konkreter, sondern auch inhaltlich. Die Motive können durchaus auch politisch gelesen werden. An der Grenzlinie entlang wandern sechs Hände auf rotem Grund: Sie spazieren, springen, heben ab. Auf der tschechischen Seite greift eine überdimensionale Hand einen Schach-Bauern: „Diese Region ist eben nicht gerade auf der Sonnenseite“, so Mlenek. „Auch das nördliche Waldviertel ist nicht sonderlich bevorzugt. Hier sieht man einen riesigen Fuß, der einen Turm wegkickt. Es soll der Eindruck erweckt werden, dass hier stark von oben herab gehandelt wird – politisch und religiös. Die Kirche hat hier noch sehr viel Einfluss auf die Volksmeinung.“

Ein Hermes mit Schere in der Hand. Im Allgemeinen hat Mlenek Motive gewählt, die er stark vergrößern konnte, vor allem Körperteile. Nur ein ganzer Körper ist dabei: Auf der Skipiste liegt, 50 Meter lang, 20 Meter breit, ein Hermes – „ich wollte die Brücke zum Fliegen schlagen“, erklärt Mlenek. In einer Hand hält der geflügelte Götterbote aber auch eine Schere, symbolisch für die Grenze, die eigentlich gefallen ist. Aber auch für die Trennung an sich: „Es hat sich in den Köpfen nicht viel verändert, die Leute bleiben trotzdem auf Distanz.“

Im Steinbruch erkennt man eine Hand, die einen Bogen spannt: Einerseits ein mythologisches Motiv – andererseits hat in dieser Gegend die Jagd noch einen festen Platz in der Bevölkerung, erklärt Mlenek. Apropos sammeln und jagen – was nach Projektende mit den riesigen Malereien passiert, ist noch nicht klar. Jedenfalls wird sich ein großes Lagerproblem ergeben, meint Mlenek. Eine (noch geheime) Idee hat er aber schon.


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