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10.03.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung | ||
Helnwein: Wer hat Donald Duck ermordet? | ||
VON MANISHA JOTHADY | ||
Gottfried Helnwein. Das Linzer Lentos zeigt eine Auswahl des Hyperrealisten. | ||
Zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit Arbeiten Gottfried Helnweins 1985
in der Albertina ausgestellt wurden. Damals lasen heimische Kunstkritiker
dem akademisch ausgebildeten Maler die Leviten. Offenbar unverzeihliche
Spuren hatten seine Profil-Titelblätter im Gedächtnis vieler hinterlassen:
etwa zum Thema Intelligenz-Manipulation der zwischen Erwachsenenhänden
gequetschte Kinderkopf. Anfang der 80er malte Helnwein Helden der Populärkultur.
Wolfgang Bauer nannte die Porträts von Krankl, Lauda und Peter Alexander
"Malerei für die Ewigkeit", die Kunstkritik sprach von "totaler
Entgleisung". Die Trennung zwischen E und U hielt lange in Österreichs
Kulturbetrieb. Erst seit die neue figurative Malerei international boomt,
Fußballer und Mickeymäuse das Tafelbild betreten, dürfen wir das ebenfalls
goutieren. Auch Startum und bildende Kunst wollen sich hier so gar nicht
vertragen. Wenn Helnwein seinem Freund, dem Schockrocker Marilyn Manson,
ein Fest ausrichtet und damit in den "Seitenblicken" landet, finden wir
das total daneben. Helnwein hat es in Österreich wirklich nicht leicht.
Dabei hat er bereits als Twen öffentlich Akzente gesetzt, die genau
erfüllen, was wir von gesellschaftskritischer Kunst erwarten. "Aktion
Sorgenkind" nannte er eine Performance, in der er 1972 ein kleines Mädchen
mit einbandagiertem Kopf durch Wiens Straßen führte. Doch mit verdrängter
und versteckter Gewalt, als deren Opfer Helnwein heute wie damals das Kind
ausfindig macht, wollte man sich abseits der Medien, also im wirklichen
Leben, nicht beschäftigen. In der Kunst hatte erst vier Jahre davor Valie
Export Peter Weibel Gassi geführt, 1965 hatte Günter Brus' "Wiener
Spaziergang" das Ende des Wiener Aktionismus markiert - von dessen
Existenz Helnwein, wie er sagt, erst Mitte der 70er erfuhr. Ein Leitmotiv Helnweins ist das menschliche Gesicht. Das
von kultureller Zensur und Verdrängung modellierte Kind ist Gegenstand
vieler Zeichnungen aus den 70ern. So zeigt "Der Eingriff" ein am
Operationstisch festgeschnalltes Mädchen, durch dessen Mundhöhle ein
Stahlrohr dringt. Berührend, nicht schockierend sind die späteren Bilder
von Missgeburten in Formaldehyd. Berührend und schön auch jene von
schlafenden Kindern. Zwänge und Disziplinierung sind auch Thema in den
fratzenhaften Selbstporträts mit verbundenem Kopf, von chirurgischen Haken
verdeckten Augen, durch Wundklammern fixiertem Mund. Dass diese Bilder
Schwarzkoglers Bandagen-Aktionen ähneln, schockierte Helnwein selbst: Erst
Jahre später habe er von dieser formalen Verwandtschaft erfahren. Für die "Anbetung der Heiligen Drei Könige" (1998) wurde
ein Gruppenfoto von Nazisoldaten manipuliert: Nicht Adolf Hitler sitzt in
deren Mitte, sondern Maria mit dem Jesuskind. Ganz im Sinne einer
christlichen Ikonografie blickt es den Betrachter direkt an. Die Allianz
von Heiligenverehrung und Führerkult: Ob das beim Publikum nicht auf
Widerstand stoßen wird, bedenkt man das Echo auf die "25-Peaces"-Plakate,
die Sex mit Politik vermischten? Wenn Helnwein das Mordopfer aus einem Kriminalarchiv-Foto
durch Donald Duck ersetzt oder Schockrocker Marylin Manson als Mickeymouse
oder Mutter Gottes inszeniert, zeigt er, wie gut er das Bilderinventar
unserer Kultur beherrscht und es versteht, ideelle Werte zu sezieren.
Seine mitunter hyperrealistische Bildsprache mag man als plakativ
empfinden. Doch wissen wir auch, dass Übertreibungen dem Leben besonders
nahe kommen. |
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