24/2005
Kunst im Futur II Der Künstler Tino Sehgal und der Philosoph Peter Sloterdijk – ein ZEIT-Gespräch zur Biennale in Vendig DIE ZEIT: Herr Sehgal, Ihr Wunsch ist es, dass
Zeitungsgespräche wie dieses den Katalog Ihrer Ausstellung in Venedig
ersetzen. Sind wir damit Teilnehmer eines Kunstwerks? Ist für Sie die
Terrasse von Peter Sloterdijk, auf der wir hier sitzen, eine Dependance
des Deutschen Pavillons? Tino Sehgal: (lacht) Für mich ist Kunst nie so
etwas Einmaliges wie dieses Gespräch. Sie ist etwas, das bleibt oder
das sich wiederholen lässt, in einem Museum etwa. Und ein Museum ist
das hier, wenn ich es richtig sehe, ja nicht. Peter Sloterdijk: Das sehen Sie richtig. Wir sind
nicht im Annex des Pavillons, aber wir sind sozusagen in dem Raum, in
dem sonst der Katalog ausliegt. Und wunderbarerweise bewahrheitet sich
damit einmal mehr das Theorem von Arnold Gehlen, nach dem sich die
zeitgenössische Kunst vor allem im Medium von Begleittexten und
Begleitgesprächen ereignet. Das ist ja in dem Wort Katalog schon
angelegt. Der katalogos, das daneben gesagte Wort, ist genau dies Begleitwort. ZEIT: Warum aber darf unser katalogos nicht auch als gebundener Katalog erscheinen, Herr Sehgal? Sehgal: Weil es das Grundprinzip meiner Arbeit ist,
keine materiellen Dinge herzustellen, also auch keine Bücher, sondern
Arbeiten, die gleichzeitig etwas und nichts sind. Ich beauftrage
Menschen, in der Ausstellung etwas zu tun, zum Bespiel
Museumswärterinnen, die einen Satz singen wie This is propopaganda, you know, you know. Meine Kunst materialisiert sich in den Körpern dieser Interpreten. Sloterdijk: Das klingt doch sehr nach Performance, oder täusche ich mich? Sehgal: Sie täuschen sich. Bei der Performance ging
es immer darum, dem Markt und dem Museum zu entkommen. Ich hingegen
versuche, innerhalb von Markt und Museum zu operieren. ZEIT: Aber es entsteht dabei kein Werk? Sehgal: Ein Werk schon, aber kein stofflich
fixiertes Werk. Der Ausgangspunkt meiner Arbeit ist ja, dass wir im
Westen seit den fünfziger, sechziger Jahren in Gesellschaften leben, in
denen es einen Angebotsüberschuss an Grundversorgung gibt. Das hat
damals schon der Ökonom John Kenneth Galbraith problematisiert, den
Herr Sloterdijk ja in seinem vorletzten Buch zitiert. Es herrscht also
ein in der Geschichte der Menschheit präzedenzloser Fall, dass mehr
produziert wird, als wir brauchen. Wenige scheinen das bislang so
richtig realisiert zu haben, zumindest folgen unsere Erwartungen an das
Wirtschaften weiterhin der Logik des Mangels. Wir erleben also so etwas
wie eine Epochenwende. Sloterdijk: Ihre Beobachtung ist richtig und völlig
abgründig: Bislang waren alle Gesellschaften energieknappe
Gesellschaften und produzierten wenig Überschuss. Erst mit dem 18.
Jahrhundert, als die Kohle als demiurgische Energie geborgen wurde,
tritt ein Überschuss auf. Und bis heute hat sich der Mensch an diesen
Überschuss nicht gewöhnt, er hat es nicht gelernt, mit dem Reichtum
umzugehen. ZEIT: Was genau hat er nicht gelernt? Sehgal: Früher mussten die Menschen arbeiten, um
den Mangel zu beseitigen. Heute produzieren nur wenige Prozent der
Beschäftigten das Lebensnotwendige. Dennoch tun wir so, als hätte sich
nichts verändert, als sei das, was die Mehrzahl der Leute produziert,
noch immer absolut wohlfahrtsrelevant. Mir scheint es eher so zu sein,
dass Beschäftigung heute, gesamtgesellschaftlich gesehen, oft nicht
mehr etwas Produktives ist, sondern etwas, das wir konsumieren. Wir
konsumieren sozusagen unser eigenes Beschäftigtsein. Die aus der
Beschäftigung resultierenden Wohlfahrtseffekte liegen verstärkt im
sozialen und psychischen Status, den sie für den Einzelnen generiert.
Und natürlich im Einkommen. Das zeigt sich ja auch an der Hysterie, die
in der Debatte um Arbeitslosigkeit oft herrscht. Da rufen alle: Wir
brauchen Arbeitsplätze, wir brauchen Arbeitsplätze! Letztlich wird vom
Staat verlangt, er solle das Gut »Beschäftigung« zur Verfügung stellen.
Sloterdijk: Ein amerikanischer Romancier hat jüngst
eine Utopie geschrieben von einer Gesellschaft, in der die Bürger der
Zukunft dafür zahlen, dass sie arbeiten gehen dürfen. Das ist in der
Fluchtlinie ihrer Reflexion durchaus angelegt. Sehgal: Ja, das trifft tatsächlich einen Kern der tagespolitischen Auseinandersetzung. ZEIT: So, wie Sie reden, dürften sich viele Arbeitslose in Deutschland verhöhnt vorkommen, oder? Sloterdijk: Wir verhöhnen niemanden. Wir versuchen
uns schlicht an einer anderen Perspektive. Die ganze Geschichte der
Metaphysik ist ja geprägt von der Sehnsucht nach der Arbeitslosigkeit,
oder nennen wir es vorsichtiger: der Arbeitsfreiheit. Erst in der
Neuzeit haben wir ein riesiges Gegenexperiment probiert. Da begriff
sich der Mensch als zur Arbeit verdammt, inszenierte sich aber zugleich
als Könner seiner eigenen Verdammnis und erschien so als jemand, der
will, was er muss. Aus dem Menschen, der zur Arbeit verflucht ist,
entstand der Unternehmer. Und aus dem zünftig gefesselten Handwerker
wurde der freie Künstler. Vergessen war jene uralte Anthropologie, die
besagt, dass der Mensch erst dort beginnt, wo die Arbeit aufhört. Sehgal: Eine solche Anthropologie zu erinnern finde
ich interessant. Allerdings wäre meine Frage, was denn eigentlich
beginnt, wenn der Mensch beginnt. Wie lässt sich das Menschsein
ausgestalten? Sloterdijk: Wenn die Leine der Notwendigkeit durchschnitten ist, dann setzen höhere Aktivitätsformen ein. Sehgal: Ja, aber welche Formen sind das? Wie es
Galbraith an der von Ihnen zitierten Stelle weiter formuliert, hat eine
Gesellschaft, die viel mehr produziert, als sie braucht, ein ernstes
Problem. Auch wenn Hunger und Armut natürlich noch viel ernstere
Probleme sind. Zum einen die Endlichkeit von Ressourcen, zum anderen
die begrenzte Kapazität der Erde, menschliche Einwirkungen zu
assimilieren, ohne dass sich ihre Disposition derart verändert, dass
ein heutiges Leben vielleicht nicht mehr möglich ist. An diesem Punkt
versuche ich anzusetzen, und von daher interessieren mich auch andere,
durchaus traditionelle Formen des Produzierens, Singen zum Beispiel
oder der Tanz. Sie stehen im Gegensatz zum bisher vorherrschenden Modus
der Produktion, der Transformation von Materie, und implizieren eine
Gleichzeitigkeit von Produktion und Deproduktion. Anders formuliert,
könnte die Frage lauten, ob es einen Fortschritt gibt, der kein
technischer Fortschritt ist. Was meinen Sie? Ich bin mir nicht sicher,
ob so etwas überhaupt möglich ist. Sloterdijk: Sie wissen ja, dass wir seit
Jahrzehnten versuchen, den Begriff des Fortschritts durch genauere
Konzepte zu ersetzen. Fortschritt im Singular, davon hat man
gesprochen, als man glaubte, dass die Welt in ihrer Unfertigkeit in
einem großen Umschwung nach vorn geworfen werden kann. Dass es möglich
sein könnte, den Weltlauf wie ein Fahrzeug zu steuern. So lange diese
Illusion in den Köpfen implantiert war, solange hat man die Idee eines
homogenen Fortschritts, der alles durchdringt, von Technik bis Moral,
aufrechterhalten können. Aber von diesem Entwurf sind wir doch heute
abgerückt. Sehgal: Sicherlich. Dennoch benutze ich den Begriff
bewusst, weil er in der Sphäre der Ökonomie als Terminus technicus
immer noch eine ganz bestimmte Rolle erfüllt. Einerseits werden
bisherige Arbeitsvorgänge effektiver abgewickelt, brauchen also
geringeren Arbeitsaufwand. Andererseits werden neue Tätigkeitsfelder
über technische Innovationen aufgetan. Wenn dieser Prozess ins
Ungleichgewicht gerät – mal abgesehen von seinen problematischen
Effekten –, können immer weniger Menschen beschäftigt werden. Die Frage
nach einem Fortschritt, der kein technischer ist, zielt also darauf ab,
ob es irgendeine Form von kulturell-sozialem Prozess geben kann, der
die ökonomische und die außerökonomische Innovationsfunktion des
technischen Fortschritts übernimmt. Sloterdijk: Heißt das, Sie suchen als Künstler nach einer Arbeit, in der keine Wertschöpfung stattfindet? Sehgal: Wertschöpfung gibt es bei mir ja. Sonst
würde ich hier heute nicht sitzen, wenn ich nicht so etwas wie das
Immaterielle mit dem Markt verbunden hätte. Doch ist diese
Wertschöpfung abgekoppelt von einer Ökonomie der fossilen Ressourcen. Sloterdijk: Mein Kollege Boris Groys hat die These
entwickelt, dass sich im modernen Kunstbetrieb so etwas wie eine
Vorschule des Konsums vollzieht. Erst im Museum lernen die Leute, wie
man an Gegenständen ästhetische Differenzen erfährt. Und mit diesem
neuen, an der Kunst aufgebauten Unterscheidungsvermögen gehen sie dann
zurück und schauen Alltagsgegenstände mit anderen Augen an und sind
dann offen für die Ästhetisierung von Gegenständen. Das ist die Stelle,
wo Design entsteht. ZEIT: Die Kunst als Magd der Konsumgesellschaft? Sloterdijk: Für die Ohren eines traditionellen
Kunstanbeters ist das natürlich eine unerträgliche Analyse. Aber in
einer funktionalistischen Sicht scheint tatsächlich sehr viel
dafürzusprechen, dass so etwas wie ein Fortschritt im Bewusstsein
zunehmender Überflüssigkeit stattfindet. Das heißt, es gibt eine
Umwandlung der Produktion in Richtung Feuerwerk. Sehgal: Das ist es auch, was aus ökonomischer Sicht
das Interessante am Kunstmarkt ist. Er ist nämlich der erste Markt, auf
dem Produkte angeboten werden, die sich noch nicht einmal mehr darum
bemühen, einen unmittelbaren Gebrauchswert zu behaupten. Es geht nur
noch um eine Übertragung von Subjektivität. Und das gilt heute auch für
andere Wirtschaftszweige in immer stärkeren Maße. Was eigentlich
verkauft wird, etwa wenn Jugendliche jedes halbe Jahr ein neues
Mobiltelefon erwerben, ist eine Form von Gestaltung von Subjektivität
oder meinetwegen auch Identität. Unklar ist nur, und das versuche ich
herauszufinden, ob man diese Subjektivitätsgestaltungen nicht auch als
solche verkaufen kann. Müssen sie unbedingt an einen
Gebrauchsgegenstand geheftet werden? Sloterdijk: Ganz schön gefährlich für einen
Künstler, in Konkurrenz zum Paradigma Mobiltelefon zu treten. Da stellt
sich ja die Frage, was ein Kunstwerk anderes kann als ein dekoriertes
Handy? (lacht) Sehgal: Gut, das ist eine polemische Zuspitzung. Sloterdijk: Nein, ich versuche nur Ihren Gedanken
weiterzudenken. Sie sagen, das künstlerische Angebot liege auf einer
Fluchtlinie mit dem üblichen Warenangebot. Profanieren Sie damit nicht
die Kunst? Sehgal: Irgendetwas vor Profanierung zu retten ist
nicht mein Anliegen. Für mich ist Kunst eine Feier, sie feiert die
Fähigkeit von Menschen, Natur umzuwandeln und Dinge herzustellen und
daraus eine Subjektkonstitution abzuleiten. Kunst ist eine Form des
Rituals, das ökonomische Produktion preist und reflektiert. Mir geht es
darum, mit der Feier von anderen Formen der Produktion den Vorschlag zu
machen, ob auf einer gesellschaftlichen Ebene solche Formen nicht
relevanter werden könnten. Sloterdijk: Sie sprechen oft von Subjekt und von
Differenzierung. Das könnte auch bedeuten, dass ein Subjekt
herausfindet, dass es besonders gut leiden kann. Da würden wir ins
Spätmittelalter kommen, wo zahllose Bürger in der Imitation Christi
zeigten, dass sie Herren ihrer eigenen Leiden sein können. Mit anderen
Worten, das moderne Subjekt entsteht in der Steigerung von
Passionsfähigkeit. Denn wer leiden kann, der kann fast alles, der kann
auch handeln. Sehgal: Mir geht es aber eher um das Erleben und
das Feiern von Fülle. Affirmativ zur Freude überzugehen ist etwas, das
mich in meiner Arbeit interessiert. Ein verantwortungsbewusstes
Produzieren mit einer Freude zu koppeln, mit etwas nicht Asketischem,
nicht Protestantischem. Sloterdijk: Sie entwerfen ein Weltbild für Arbeitslose, die gleichzeitig feiern können. Sehgal:(lacht) Das ist jetzt eine Ihrer Polemiken, mit der ich mich mehr anfreunden kann. Sloterdijk: Sind Sie ein Neo-Dandy? Ein Installations-Dandy vielleicht? Sehgal: Wie kommen Sie denn darauf? Ich denke, dass
ich letztlich aus einer relativ ernsten, irgendwie auch deutschen
Tradition komme, auch wenn man es mir vielleicht nicht so ansieht. Aber
vielleicht verstehe ich auch nicht, was Sie mit Dandy meinen. Sloterdijk: Der Dandy ist ein Totalästhet, der die
vollständige Verwandlung des Lebens ins Bild anstrebt. Es gibt in
München seit zehn Jahren eine ganz offene Neo-Dandy-Bewegung. Da sehen
Sie junge Herren, sehr britisch gekleidet, die sich sorgfältig
ausgewählte Nelken ins Revers stecken. Sehgal: Mich interessiert weniger, wie ein Mensch
sich auf einer visuellen Ebene selbst entwirft. Eher frage ich mich, ob
sich auch durch Handlungen, Verhaltensweisen, Kommunikationsformen so
etwas wie Subjektivität weiter gestalten lässt. Sloterdijk: Der Dandy ist immer der, der er gewesen
sein wird. Er verwandelt sich in eine Statue. Er posiert immer für die
Nachwelt und verwandelt auch die Menschen, die ihm jetzt begegnen, in
Betrachter, die ihn in Erinnerung haben werden. Eine Existenz im Futur
II. Das bezieht sich jetzt nicht auf Ihre Person, aber auf Ihr Werk. Es
kann ja nur das sein, was es in Erinnerung derer sein wird, die es so
gesehen haben. Wenn Sie den Katalog und die üblichen
Dokumentationsformen verweigern, bleibt Ihnen nur das Gedächtnis des
Passanten, der zum unfreiwilligen Geschichtsbuch wird. Sehgal: Aber Sie müssen sehen, dass ich mit einem
klassischen Archiv kollaboriere, mit dem Museum. Die Museen können
meine Arbeit kaufen und sie einrichten, indem sie die entsprechenden
Menschen anstellen und einweisen. Sie existiert also nicht nur in der
Erinnerung von irgendwelchen Leuten, sondern sie existiert eben auch in
diesem Archiv. Außerdem interessiert mich das Futur-II-Moment ja nicht
als Pose, sondern als politische Gestaltungsmöglichkeit im Sinne von
»Dies wird die Vergangenheit gewesen sein«. Das Museum scheint mir
attraktiv, weil es eine solche langfristige Perspektive erlaubt. Es
gibt ja nur wenige Institutionen, die so sehr auf Langfristigkeit
angelegt sind. Und damit auch erlauben, eine langfristige Politik zu
betreiben. Sloterdijk: Wenn Sie von Politik sprechen – was macht Sie so sicher, dass Sie eigentlich Künstler sein müssen? Sehgal: Da gibt es mehrere Gründe: Zum einen ist
die bildende Kunst auf Langfristigkeit, auf eine intergenerationelle
Kommunikation angelegt. Zum anderen kann sie sich selbst different
werden, ohne sich zu verlieren. Erst dadurch ist eine Position wie die
meine überhaupt möglich. Vor allem aber fällt ihr die Aufgabe zu, das
Verhältnis von Menschen und Dingen zu reflektieren. Selbst wenn es bei
mir keine Dinge gibt, gibt es doch eine Reflektion darüber, was an die
Stelle dieser Dinge treten könnte. Das ist auch das Interessante am
Bereich der Kunst, dass man dort etwas in die Tat umsetzen kann, es
aber in Klammern bleibt. Es kann ausprobiert werden, ohne jemandem
dabei wehzutun. Sloterdijk: Vielleicht stehle ich jetzt einfach
Ihren Grundgedanken und mache eine Event-Agentur auf und probiere mal
aus, ob Ihre Ideen einer alternativen, nonstofflichen Produktion in
einem anderen Bereich genauso gut funktioniert. Sehgal: Wenn Sie das machten, wäre das für mich ein
großer Erfolg. Es geht ja genau darum: ein Modell vorzuschlagen, und es
ist nur dann erfolgreich… Sloterdijk: …wenn es plagiiert werden kann. Sehgal: Ja, oder wenn es einen Anstoß gibt. Das ist
ja der Kern dieses Experiments. Allerdings würde ich gar nicht
behaupten, dass es innovativ ist, was ich mache. Es reflektiert nur
das, was eh schon stattfindet. So verkauft eine Event-Agentur, auch
wenn ich mich in diesem Milieu eigentlich gar nicht auskenne, doch auch
eine gewisse Erfahrung oder eine Differenzierung von sozialem Status. ZEIT: Das hört sich für mich an, als würde am Ende der Markt alle Probleme lösen. Sehgal: Natürlich gibt es immer das Ressentiment
einer kulturellen Minderheit gegenüber dem Markt, weil der Markt immer
die kulturellen Werte der Mehrheit am stärksten manifest werden lässt.
Ich persönlich kann mich dessen auch nicht ganz erwehren. Dennoch darf
einen das nicht dazu verleiten, den Markt als solchen zu verdammen. Er
ist letztlich doch ein sehr demokratisches Prinzip, in das jeder etwas
einbringt. Die Frage ist nur, was genau bringen wir da ein und was hat
das für Folgen? Sloterdijk: Da schließt sich dann unsere
Reflexionsschleife. Wir gelangen zu einem Begriff des subtilen Marktes.
In diesem subtilen Markt werden hochgradig nichtevidente Werte
getauscht, und zwar exakt wie reale Güter. Es stellt sich die Frage
nach dem Gebrauchswert auf immer höheren Ebenen, der Markt wird immer
subjekthafter, es geht immer stärker um die Ausarbeitung der eigenen
Persönlichkeit. Oder um den Erwerb von Mitteln zur Demonstration von
Souveränität. Jetzt müssen Sie mich nur noch überzeugen, dass der
Besitz eines Werkes von Ihnen mich etwas souveräner erscheinen lässt.
Dann erwerbe ich es. Das Gespräch moderierte Hanno Rauterberg