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10.01.2003 - Ausstellung
Fleckerl eines alten Theaterteppichs
Günter Brus, Gerhard Roth: Wiederaufgefundene Schaustücke eines nur halb geglückten Gemeinschaftskunstwerks werden im Grazer Schloßberg gezeigt.


Graz 1985: Im Schauspielhaus werden die "Erinnerungen an die Menschheit" uraufgeführt. Text: Gerhard Roth, Ausstattung: Günter Brus.

Graz 2003: Im "Dom im Berg", das ist eine Schloßbergkaverne, stehen und hängen Dekorationselemente von damals, ein frisch restaurierter Zauberfundus mit Fröschen und Hirschkäfern, Riesenzitronen und einem Gummithron, Gigantenköpfen aus Pappe und federleichten Schmetterlingsflügeln. Die Geschichte dazwischen: Die Ausstattung landete im Kunsthandel, bei Sammlern, der Großteil tauchte wieder auf, wurde von "Graz 2003" unter Mithilfe des ORF-Art-directors Gustav Lohrmann angekauft und mit dessen Hilfe in den ORF-Werkstätten restauriert.

Nach der bis 23. Februar geöffneten Ausstellung soll dieser kuriose, aber nicht besonders wichtige Teil des Brus-OEuvres der Öffentlichkeit erhalten bleiben. Wie und wo, wissen die Grazer Kulturherren noch nicht. Die Thesaurierung der vollplastischen oder auf Kulissenrahmen aufgezogenen Schaustücke ist feste Absicht - obwohl ähnliche Werkstattkunst in jedem Theatermagazin zu finden ist, das zu weihnachtlicher Zeit ein Märchen zeigt.

Erinnerungen an die Zusammenarbeit zweier Künstlerfreunde könnte die Felsendom-Schau heißen. Auf der Bühne konnte das im Text oft grausame, in der Optik phantastisch-verspielte Gesamtkunstwerklein kaum überzeugen. "Mehr Fleckerl als Teppich" setzte Ende September 1985 die "Presse" als Titel über ihren Premierenbericht. Achim Freyer hat später den Theaterbesuchern mit zelebrierter Langsamkeit solche Bildwelten näher gebracht. Dem Figuren-Pandämonium des Zeichners Gunter Brus auf einer Theaterbühne das Laufen lernen zu wollen, ist wohl so unsinnig wie die Dramatisierung von Kubin-Blättern durch Text und Regie. Doch immerhin sind auch viele der farbigen Entwürfe für Dekorationen und Kostüme als kleinformatiges Begleitmaterial neben der wunderschön arrangierten Kulissenshow zu sehen. Günter Brus - er lebt schon lange in Graz - als Zeichner: Das wäre eine international attraktive Ausstellung im Kulturhauptstadtjahr 2003. Sie findet ab Dezember statt - aber in der Wiener Albertina. Als eine nächste Station ist Bologna fix. Für Graz könnte noch ein Termin frei werden. hai



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