11.04.2002 00:02:00 MEZ
Eine Trasse durch den Trakt
Am 13. September soll das "Quartier 21" eröffnet werden

Wien - Wolfgang Waldner, Chef des Museumsquartiers, zog am Mittwoch Bilanz über das erste Dreivierteljahr. Und diese fiel erwartungsgemäß positiv aus: 1,4 Millionen Personen seien seit der Eröffnung im Juli 2001 im Areal gezählt worden, mehr als die Hälfte hätten auch eine Veranstaltung oder Institution besucht. Und 95 Prozent wollen, so eine Umfrage, wiederkommen.[Im Volltext hier]

Kurator Vitus H. Weh stellte zudem das Quartier 21 vor, das am 13. September eröffnet wird. Darunter versteht man die Nutzung der freien Flächen zugunsten der zeitgenössischen Kunstproduktion. Der Fischer-von-Erlach-Trakt wird der Länge nach fast zur Gänze zu durchwandern sein. Zwischen Infrastruktureinrichtungen (Bookshop, Kantine, Ticket-Center, Veranstaltungshalle) liegen die "Straßen" transeuropa und Electric Avenue: Sie stehen rund 20 autonomen Veranstaltern befristet zur Verfügung, die Miete der Kojen beträgt monatlich 5,5 Euro pro Quadratmeter. Die Ausgestaltung der Tonnengewölbe auf zwei Ebenen, finanziert aus Sponsorgeldern, stammt von den Teams AllesWirdGut und PPAG.

Überschattet war die Pressekonferenz durch eine Aktion diverser Nutzer: Sie kritisierten in einer Mitteilung Waldner und stellten sieben zum Teil provokante Fragen. Eine davon betrifft das Grundstück Breite Gasse 4: Man will wissen, um welchen Preis dieses einst angekauft - und nun wieder verkauft wurde.[Im Volltext hier]

Die Frage ist berechtigt. Im Jahr 1990 stimmte die Stadt Wien dem Bau des Areals nur zu, wenn ein Durchgang zum 7. Bezirk geschaffen würde. Die MQ-Errichtungsgesellschaft war daher gezwungen (was die Besitzer wussten), das Grundstück zu erwerben - um den viel zu hohen Preis von 726.000 Euro, wie der Rechnungshof 1995 kritisierte: Der Verkehrswert hätte bloß 349.000 Euro betragen.

Das Bürogebäude wurde abgerissen, die Investition als "Baureifmachungskosten" abgeschrieben. Kürzlich konnte das Grundstück aber mit der Auflage, beim Neubau einen breiten Durchgang auszusparen, verkauft werden - trotz der starken Wertminderung um immerhin 254.000 Euro.

Das Problem ist aber: Die Liegenschaft gehörte zur Hälfte der Familie Hugo von Hofmannsthals und wurde in der NS-Zeit "arisiert". Die Familie erhielt das Eigentum nach dem Krieg nicht zurück, wurde bloß entschädigt. Die Frage lautet nun: fair entschädigt?
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. 4. 2002)


Quelle: © derStandard.at