Illustrierte Sinn-Sprüche

Eine Plakataktion des Künstlerpaares Johanna und Helmut Kandl setzt in Zusammenhang mit der heutigen Arbeitswelt die Frohbotschaften des Neoliberalismus ins rechte Bild.
Von Ines Mitterer.


Die Arbeiterkammer Wien hat sich im Laufe der Zeit zum ernst zu nehmenden Ausstellungsraum für zeitgenössische österreichische Kunst etabliert. Seit Montag ist dort die Ausstellung "Your Way to the Top" des österreichischen Künstlerpaares Johanna und Helmut Kandl zu sehen. Reflektiert wird darin über ein Thema, das ureigenstes Terrain der Arbeiterkammer ist: Arbeit und Karriere.


Die Plakatreihe ist nicht als Rezept für den Weg nach oben, sondern vielmehr als Einladung dazu gedacht, über Arbeitsbedingungen und Karrieremöglichkeiten von heute nachzudenken. Entstanden ist das Projekt im Rahmen des museum in progress. Deshalb wird man die alten Sujets mit den neuen flotten Sprüchen in nächster Zeit auch auf Plakatwänden und in Tageszeitungen finden.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

"Der Mensch lebt nicht von Brot allein. Er braucht auch Erfolgserlebnisse" - dieser Spruch ziert auf deutsch, englisch, türkisch und serbokroatisch ein altes handkoloriertes Foto eines jungen Mannes, der von einer dicken Scheibe Butterbrot abbeißt.


"Die Gleichberechtigung ist da, man muss sie nur nutzen", heißt es auf einem anderen Plakat. Darauf sind drei Frauen in Schürzen zu sehen, die am Küchentisch arbeiten. Oder: "Geld tut Frauen richtig gut". Diese Aussage begleitet eine Frau im Sonntagsstaat mit Kind im Leiterwagen beim Spaziergang am See.


Sprüche aus Zeitungen und Büchern

Die Sprüche, die Johanna und Helmut Kandl auf handkolorierten Glasdias der Zwischenkriegszeit aufgetragen haben, stammen von den Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen, aus dem Programm von Managementbüchern sowie aus Kindheitserinnerungen: "Ohne Fleiß kein Preis", bekam Johanna Kandl damals zu hören.

"Ich habe viele dieser Sprüche in meiner Kindheit gehört und sie sind mir unheimlich auf die Nerven gegangen. Ich finde es witzig, dass es in Buchhandlungen ganze Abteilungen zu solchen Themen gibt. Total witzig wird es, wenn diese Sprüche mit Frauen zu tun haben und wenn es sozusagen um messianische Dinge geht. Wo man fast von Gott die Kraft beziehen muss, um irgendwelche Dinge zu tun, wo es fast religiöse Ansätze gibt", stellt Johann Kandl fest.


Botschaften der Wirtschaftsbosse

"Du schaffst es und wir, die großen Wirtschaftsbosse und Managementberater helfen dir, dass du es schaffst", das ist die vordergründige Botschaft der Textzitate. Kontrastiert werden diese Frohbotschaften mit romantischen Bildern aus dem harten Arbeitsalltag der 30er Jahre, die Helmut Kandl im niederösterreichischen Landesarchiv gefunden hat.

"Das sind ungefähr 400 handkolorierte Glasdias, die solche Produktionsweisen beschreiben. Und die sind uns sehr geeignet erschienen für unsere Arbeit. Wir arbeiten sehr oft so, dass wir diese Zitate mit einem unerwarteten Umfeld konfrontieren. So relativieren sich solche Sprüche etwas und werden damit in Frage gestellt. In einem gewissen Sinn geht es uns auch um Sprachkritik", meint Helmut Kandl.

Heilsverkündigung des Neoliberalismus

"Hart sein, aber menschlich bleiben", "Totale Marktwirtschaft kombiniert mit europäischer Menschlichkeit", "Führungskräfte vermitteln Autorität": Dass der Glaube an die Heilsverkündigungen des Neoliberalismus und die Versprechungen der Mächtigen beiden Künstlern fehlt, weiß man nicht erst seit dieser Aktion. Johanna und Helmut Kandl gehen in ihren Arbeiten immer von gesellschaftskritischen Fragen aus.


Sie untersuchen etwa den Alltag im postkommunistischen Osten und suchen dabei nach den Menschen hinter den Systemen. Oder sie stellen markigen Managersprüchen Marktszenen aus Aserbeidschan gegenüber. Immer wieder konfrontieren sie Kunst und Alltagsleben und verarbeiten auch die jüngsten politischen Entwicklungen in Österreich zu neuen Kunstwerken. Aus ihrer Skepsis gegenüber der derzeitigen Regierung haben die beiden noch nie ein Hehl gemacht.


Die Auswirkungen der neuen Konstellation auf die künstlerische Arbeit beurteilen sie positiv: "Ich glaube, die Arbeit ist irgendwie schärfer und ein bisschen brutaler geworden. Das finde ich aber ganz gut. Es gefällt mir, dass die Kunst in den letzten Jahren viel inhaltlicher geworden ist. Sie befasst sich jetzt stärker mit gesellschaftlichen Fragen", stellt Johanna Kandl fest. Und ihr Mann schließt sich der Ansicht an, "dass nur ein Schmeichelkurs in der Kunst auch nicht das einzig Wahre ist."

Plakat-Aktion über den Sommer

"In diesem Sinne könnte man sagen: Kein Zweifel, positives Denken veränderte mein Leben". Die Plakataktion "Your Way to the Top" von Johanna und Helmut Kandl ist den ganzen Sommer über auf den Straßen des 4. Wiener Bezirks - also in der Umgebung der Arbeiterkammer - sowie in den Tageszeitungen und als Aktion von "museum in progress" zu sehen.

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