Berliner Volksbühne gedachte Schlingensief

7. November 2010 | 12:30 | berlin | apa/ag. | http://www.salzburg.com/online/7mal24/aktuell/Berliner-Volksbuehne-gedachte-Schlingensief.html?article=eGMmOI8Vgjajhw1LExkMCwXr4welgtxSzKZXqx3&img=&text=&mode=" href="http://www.facebook.com/sharer.php">Teilenipt>Teilen  
Er war allgegenwärtig - und das machte seinen Verlust nur umso schmerzvoller bewusst. Von Samstagabend bis zum frühen Sonntagmorgen war die Volksbühne in Berlin zu einer Schlingensiefbühne mutiert. Gefeiert wurde zu Ehren des vor wenigen Wochen im Alter von 49 Jahren gestorbenen Theaterregisseurs Christoph Schlingensief.
apa/ag. berlin

Rund 2.000 Freunde, Fans, Weggefährten und Schaulustige waren bei freiem Eintritt gekommen, um in dem Haus Abschied zu feiern, das Schlingensief über Jahre hinweg maßgeblich prägte. Filme, Fotos, Dias, Plakate, Lesungen, Diskussionen und Aufführungen erinnerten an einen der größten deutschen Regisseure der vergangenen Jahrzehnte.

Schlingensiefs Energie, sein Enthusiasmus, sein Idealismus wurden bei dem bewegenden Theaterfest mit dem Titel „Gedenken 3000“ noch einmal erfahrbar. Auf Leinwänden und Monitoren, die überall im Theater verteilt waren, von den Foyers über die Treppenhäuser bis hin zu den Lounges, wurden seine Projekte gezeigt.

Zu sehen war ein junger, wild entschlossener Mann, der die Partei „Chance 2000“ gründete, der Regie bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth führte, der provozierende Filme wie „Das deutsche Kettensägenmassaker“ oder „Terror 2000“ drehte. Zu sehen war ein junger Mann, der Anfang der 90er Jahren in der RTL-Talkshow „Explosiv“ der damaligen Ministerin Angela Merkel Contra gab, weil diese die rüden Gewaltdarstellungen im Fernsehen rügte.

Volksbühnen-Intendant Frank Castorf, gekleidet in einen grauen Adidas-Trainingsanzug, eröffnete den Abend. An einer großen Tafel sitzend gab er das Startsignal für die Ausstellung, wie er das Fest nannte. Gemeinsam wurde dann in wechselnden Besetzungen den ganzen Abend über gespeist. Für Abwechslung sorgte eine junge Sängerin im roten Kleid, die in Stöckelschuhen auf der Tafel stehend Schubert-Lieder sang - unter anderem „Die Hymne an die Jungfrau“.

So herrlich dekadent-absurd hätte es wohl auch dem großen Provokateur Schlingensief gefallen, der am 21. August an Lungenkrebs gestorben war. Er fehlte - der Platz auf der Bühne im großen Saal der Volksbühne, der Ledersessel vor der Leinwand, auf der seine Filme liefen, blieb leer.

© SN/SW