Entzückendes Puppenmodell aus dem Wiener Technischen Museum: Tabakherstellung anschaulich dargestellt. Bild: VOLKER WEIHBOLD
„Puscholka Mitzi“ ist auf der Rückseite eines Hockers zu lesen: Eine Arbeiterin hat „ihren“ Hocker handschriftlich gekennzeichnet. Der Hocker ist ebenso Bestandteil dieser mit vielen Details gespickten Schau wie beispielsweise das seit 1898 ständig wechselnde Packungsdesign der Zigarettenmarke „Memphis“ oder die Korrespondenzordner von Alxander Popp, dem Baumeister, der vor Ort die Pläne von Architekt Peter Behrens ausgeführt hat.
Es ist die erste Ausstellung unter der ab 1. Oktober neuen Nordico-Leiterin Andrea Bina, die gemeinsam mit den Kuratoren der Sammlung von Austria Tabak/JTI in Wien, Sabine Fellner und Georg Thiel, sichtlich viel Herzblut mit hineingepackt hat. „Ich habe in der Tabakfabrik nach deren Schließung ein Kellerabteil eingerichtet, in dem ich alles, was im Gebäude zu finden war und niemandem gehörte, gesammelt habe“, sagt Bina.
Vieles davon findet nun Verwendung. Und genau diese Alltagsgegenstände sind es, die diese Schau über eine museale Betrachtungsweise hinausheben und sie deshalb auch lebendig und menschlich machen. Kleinigkeiten wie Handtücher, von denen sich erzählen lässt, dass die Arbeiter von 1928 bis 1941 zwei Mal pro Monat ein Wannenbad in der Fabrik – während der Arbeitszeit – nehmen konnten. Oder die so genannten „Personal“-Zigaretten in einer Vitrine, die davon zeugen, dass jeder Arbeiter rund 750 Zigaretten pro Monat bekommen hat. Oder jene teils verrosteten Körbe, aus denen die Arbeiterinnen in der Lösehalle den Tabak entnommen haben. Hier wird auch der Wandel von Arbeitswelt anschaulich vermittelt.
Und natürlich fehlen die Fakten nicht, die mit Plänen, Zeichnungen, Dokumenten, Fotos – auch aus den Beständen der einzigen noch bestehenden Tabakfabrik Österreichs im niederösterreichischen Hainburg – veranschaulicht werden: Die Tabakfabrik wurde 1850 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gegründet, von 1928 bis 1935 erfolgte der Neubau durch Industriearchitektur-Vorreiter Peter Behrens und Alexander Popp. 2009 wurde die „Tschickbude“ geschlossen, 2009 kaufte die Stadt Linz das Areal. Die zukünftige Nutzung steht noch in den Sternen...
Industrie- und Sozialgeschichte
Gezeigt werden 150 Jahre Linzer Industriegeschichte, die im Falle der Tabakfabrik auch Sozialgeschichte sind: Ab 1918 gab es eine „Kinderbewahranstalt“, ab 1853 einen Fabriks-arzt, es wurden Wohnsiedlungen gebaut und es standen Sommerfrische-Heime zur Verfügung.
Werbefilme aus Zeiten, als Rauchen noch als lässig gegolten hat, sind zu sehen und Interviews mit ehemaligen Arbeiterinnen zu hören.
Und es geht übrigens überhaupt nicht um das Thema Rauchen!
"Und es geht übrigens überhaupt nicht um das Thema Rauchen!"
Gegenstimme: es geht immer um's Rauchen und um sein Image
http://www.aktiv-rauchfrei.de/aktuell/sponsoring/1158
Auch bei der Verleihung des Lucky Strike Design Award 2004 an
Phillippe Starck(ausgerichtet von der Raymond Loewy Stiftung, die
British American Tobacco gehört) ging es vorerst nicht um das Rauchen.
Und dann löste Phillippe Starck einen Skandal aus, weil er bei der
Preisverleihung die Absender des Preises daran erinnerte, was ihr
Produkt anrichtet und dass er privat mit der Tabakindustrie nichts zu
tun haben wolle.
http://de.wikipedia.org/wiki/Lucky_Strike_Designer_Award
Also, wie kann ich das jetzt auch lesen, wenn KuratorInnen der JTI
Tobacco Collection Vienna (Japan Tobacco International) Öffentliche
Führungen im Nordico abhalten http://www.nordico.at/de/195.htm
Ja, ja, die Raucher-Lobby hat gerne überall ihre Finger drinnen. Ich habe vor ein paar Wochen am Hauptplatz und Taubenmarkt eine "Info-Kampagne" gesehen, bei der man mit Foldern über die grossen Gefahren illegal importierter und (angeblich) "gefälschter" Zigaretten informiert wurde (die Gefahren der nicht illegal importierten und nicht gefälschten Zigaretten wurden dabei diskret ausgelassen). Und wer hat informiert? Japan Tobacco International. Da musste ich schon schmunzeln...
ich selbst rauche zwar kaum
noch, aber rauchen ist nartürlich teil der europäischen
kulturgeschichte - und das schon seit mehreren jahrhunderten.
mir geht´s anders als den meisten rauchern - ich habe kein problem
mit dem aufhören. im gegenteil: manchmal komme ich drauf, dass ich
tagelang keine zigarette geraucht habe. dann nehme ich mir wieder vor,
etwas mehr zu rauchen. einfach weil es eine vom aussterben bedrohte
kulturtechnik ist. und zudem natürlich ein einzigartiges
geschmackserlebnis, verbunden mit den angenehmen eigenschaften des
wirkstoffes nikotin.
als wegen mir könnte das thema in der ausstellung breiten raum finden