text breit  text schmal  
drucken 
Bilder keine Bilder

derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
29. Dezember 2008
18:24 MEZ

Bis 1. 3. 2009

 
Helden im Dämmerlicht und ohne Geschichte
Inszenierte Meisterwerke: "Vom Mythos der Antike"

Wien - Ein antiker Held, muskelbepackt, marmorn, makellos, grüßt auf der Prunkstiege: Theseus, ein Bröckchen von einem Königssohn, besiegt den Kentauren mit den eingeknickten Pferdebeinchen. Die "Überwindung animalischer Natur durch menschliche Vernunft" liest man. Und wahrlich, Theseus' massive Totschlag-Keule ist ein überzeugendes Argument.

Bis heute haben Protagonisten der antiken Sagen "nichts an ihrer Faszination eingebüßt" , erfährt man. Denn "die Seinszusammenhänge unserer Welt, wie sie in Mythos der Antike zutage treten und verstehbar gemacht werden, sind keine endlichen Größen, sondern zeitlose Fundamente unserer Wirklichkeit". So erklärt Wilfried Seipel, scheidender Generaldirektor des KHM, seine Huldigung des Mythos der Antike. Wer sagt zum Abschied schon leise ‚servus‘?

Eigentlich ist Antonio Canovas Theseus-Gruppe auch nicht Teil der Ausstellung, aber wo soll man in einem Museum, das diesen Mythos durch jeden Lüftungsschacht atmet, mit dem Erzählen beginnen? Gewalttätig auch die Ouvertüre auf dem Transparent über dem Entree: Statt Theseus überwindet hier Herkules das Böse in Gestalt des Riesen Antäus. Auch Herkules' Vernunft liegt in der Muskelkraft; er erstickt seinen Widersacher in einer innigen, wenig liebevollen Umarmung.

Im Saal selbst erhöhen das spärlich illuminierte Dunkel und die tiefroten Wände die Dramatik der Inszenierung. In die Stille des geräuschschluckenden Teppichs wirft Giambolognas Bronze (Zweifigurige Raptusgruppe, um 1580) gleich vier theatralische Schatten: Da der in die Höhe gereckte Arm und der verdrehte Kopf, dort die ineinander verdrehten Oberkörper ... Mythos? Nein. Wir erinnern uns, und der Saaltext hilft dabei, dass Giambologna hier gar kein mythologisches Thema darstellt, sondern eine extreme Bewegungsstudie: schreitender Mann hebt Frau. Das Heben ist - so lernen wir - fürs Ent- und Verführen, aber auch fürs Morden eine beliebte Pose.

Was lernen wir sonst in den zwei dämmrigen Sälen? Dass der Glassturz der Saliera an eine Schneekugel erinnert? Zum Beispiel, dass das Kunsthistorische Museum verdammt viele schöne Tapisserien, Skulpturen und Gemälde zum Thema beiträgt: etwa Parmigianinos Bogenschnitzenden Amor, Giorgiones Drei Philosophen oder Rubens' hinter Glas leider etwas absaufendes Haupt der Medusa. Damit nicht genug vom Niederländer: Sein Bacchanal steuerte das Puschkin- Museum Moskau bei. Auch die bedeutenden Partner-Institutionen des KHM besitzen und verborgen wunderbare Schätze: Herrlich Annibale Carraccis Venus aus den Uffizien, Lorenzo Lottos Schlafender Apollo aus Budapest oder Mars, der antike Stefan-Weber-Lookalike - von Velázquez aus dem Prado.

Was man nicht erfährt, ist, was in den verschiedensten Epochen Auftraggeber wie Maler ganz konkret an den antiken Themen faszinierte. Dafür kann man Meisterwerke schauen. Womit wir also wieder bei der Keule als Argument der Vernunft wären. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 30.12.2008)

Diesen Artikel auf http://derStandard.at lesen.

© 2008 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.