Salzburger Nachrichten am 12. November 2005 - Bereich: Kultur
FOTOHOF
Paul Kranzler erhielt am Mittwoch im Fotohof Salzburg von Kunststaatssekretär Morak
den Förderungspreis für Fotografie 2005. Damit wurde nicht nur ein junger
Fotograf aus Linz geehrt, der eine starke, eigenwillige Position einnimmt.
Durch die Wahl des Ortes gilt die Ehre auch einer Pionierinstitution für
künstlerische und Autorenfotografie in Österreich, die - gemeinsam mit
Einrichtungen in Graz ("Camera Austria"), Innsbruck oder Wien - seit mehr
als zwei Jahrzehnten konsequente Arbeit auf diesem Gebiet leistet. Die Arbeit des Fotohofs, der sein Domizil am Erhardplatz in Salzburg-Nonntal hat,
umfasst, wie Galerieleiter Rainer Iglar im SN-Gespräch berichtet, drei
Kernbereiche: Ausstellungen, Fachbibliothek, Buchproduktion mit Verlag.
Aus einer studentischen Initiative hervorgegangen, sei man, so Iglar,
"immer nahe an der Szene" gewesen. Anfangs noch ein "Orchideenfach" im
Bereich der Bildenden Kunst, habe sich die Entwicklung "dramatisch
positiv" verändert. Das hängt gewiss auch mit der veränderten Wahrnehmung
für Medienkunst zusammen. Jedenfalls werde man 2006, im Jubiläumsjahr,
einiges aus der Sicht des "Gründungsmythos" neu und verändert beleuchten
können. Das Interesse an Fotokunst ist mittlerweile museal deutlich wahrnehmbar; wichtige
Institutionen arbeiten die Geschichte der Fotografie auf. In Galerien ist
die Fotografie hingegen noch immer nicht deutlich präsent (etwa im
Vergleich zu Großbritannien, wie Paul Kranzler im Gespräch erwähnte). In
Wien arbeiten die Galerien Hilger und Faber kontinuierlich mit Fotografie.
Als "Schauplatz für Fotografie" ist das "Westlicht" (Westbahnstraße 40)
sehr aktiv. Die Sammlungen, die in Salzburg, Linz und Wien konzentriert
sind, bilden für Museen einen wichtigen Fundus, Fotografie zum Thema zu
machen und damit inhaltlich, atmosphärisch und historisch mehr
öffentliches Bewusstsein zu schaffen. Der Fotohof präsentiert in Salzburg acht bis neun Ausstellungen pro Jahr, wobei es
um aktuelle Ausrichtung und Themen geht. Darüber hinaus schickt er "seine"
Künstler auf Tourneen (mit besonderem Erfolg das Werk von Inge Morath, die
dem Fotohof einen Teil ihres Nachlasses anvertraute, oder Valie Export).
Wichtig ist den Fotohof-Machern (neben Iglar noch Kurt Kaindl, Michael
Mauracher, Andrew Phelps, Brigitte Blüml u. a.), einen "Ort der Identität"
(Iglar) zu schaffen. In der Edition Fotohof sind im Verlauf der bisher 24 Jahre rund 65 Bildbände und Fotoessays
erschienen. Wichtiger Partner war und bleibt der Otto Müller Verlag,
dessen fotografisches Programm Kurt Kaindl betreut. Der Fotohof selbst hat
seit fünf Jahren eine eigene Edition, in der auch "riskante
Künstlerbücher" eigenverantwortlich verwirklicht werden können. Rainer
Iglar nennt diese Ausrichtung dezidiert "stark individuell". Wichtig sind
hier, wie auch im Ausstellungsbereich, überregionale Kooperationen. Paul
Kranzlers Katalogbuch "Land of Milk and Honey" ist zur Ausstellung im
Linzer Lentos erschienen; nun interessiert sich ein japanischer Verlag für
die Lizenz. Im Vertrieb reicht das Netz mittlerweile bis nach Los
Angeles. Die Bibliothek im Fotohof hat mittlerweile 9500 Publikationen (davon etwa 2000
Zeitschriftenartikel) verschlagwortet und habe, so Rainer Iglar, den
"besten Bestand zur Fotografie nach 1945" - mit "unglaublichen
Erstausgaben" zur Foto-Geschichte. Iglar zeigt als besondere Kostbarkeiten
die Erstausgabe von Brassais "Paris de nuit" von 1927 oder Eugène Atgets
"Photographe de Paris" von 1930 - auch drucktechnische Meisterwerke. Für
den Ausbau der Bibliothek stehen rund 15.000 Euro jährlich zur Verfügung,
die Gesamtsubventionen von Stadt und Land Salzburg betragen derzeit je
40.000 Euro, der Bund stellt "das Dreifache" zur Verfügung. Die aktuelle Ausstellung zeigt Paul Kranzlers "Land of Milk and Honey". Der Künstler versteht
seine Beobachtungen bei seinen einstigen Wohnungsnachbarn nicht als
"klassische" Sozialreportage. "Grundgedanke war die Konzentration auf
einen einzigen, relativ kleinen Raum, einen Lebensraum, der
Installationscharakter aufweist und gleichzeitig eine menschliche Innen-
und Außenwelt darstellt": das Leben eines betagten Paares im Substandard,
ungeschönt, aber sehr direkt ausgeleuchtet, Einblick in ein Inneres, vor
dem man sonst die Augen verschließt. Harte Bilder, harte Szenen.KARL HARB
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