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04.07.2003 - Ausstellung
Ausstellung: Goldenes Stroh für alle Parties
All-Inclusive in der Wiener Secession: Mary Heilmanns heile Welt, Mel Zieglers abgewandtes Biedermeier.
VON ALMUTH SPIEGLER


Farbpalette für Schnuller, Barbapapas go Cubism - vernichtender Kollegen spott, die Kunsthallen dieser Welt sollten sich vor bissigen Musikkritikern besser verbarrikadieren. Dabei zeigt die Secession diesmal eigentlich ziemlich harmlose Malerei, nicht einmal etwas provokant Zeitgenössisches, Verschwurbeltes, Verkopftes. Fröhliche, unbekümmerte, abstrakte Bilder von Mary Heilmann aus den 70er Jahren bis heute füllen den Hauptraum mit Good Vibrations ohne Tiefenwirkung.

Quadrate, Streifen, Waben, Tupfen in Pink, Blau, Rot, Gelb, Violett tummeln sich auf Leinwänden, die sich auch gern zu eigenständigen eckigen Gebilden verschachteln: Geometrische Pop-Art, ideale Dekoration für Beach-Boy-Lofts und "All Tomorrow's Parties", so der von Velvet Underground geliehene Titel. Die passend schicke Holz-Bestuhlung mit grob gewebter Bespannung hat Heilmann gleich dazu entworfen. Die Secession grüßt also Kalifornien und eine scheinbar ewig junge Künstlerin, 1940 in San Francisco geboren. Alles eitler Sonnenschein? Die hohe Sensibilität Heilmanns für Stimmungen und Atmosphäre ergibt sich erst im Zusammenhang mit den Bildtiteln, die von der Secession unpraktisch, nur auf einem Zettel aufgelistet, aus dem Blickfeld gerückt werden: "The big Wave", "Pink Shoulders", "Jimmy Walker" und "Save the Last Dance for Me" laden Abstraktes mit Emotion auf.

Eigentlich studierte Heilmann in den 60er Jahren Keramik und Skulptur, wechselte Anfang der 70er in New York dann zur abstrakten Malerei und kreiste im Umfeld von Bruce Naumann, Eva Hesse, Gordon Matta-Clark, Richard Serra. Sie war Beatnik, Hippie und Bohemien, ihre Biografie "The All Night Movie" (1999) ist schon historisches Dokument.

Historisches findet sich auch in der Galerie der Secession im Keller: Der US-Amerikaner Mel Ziegler (46) lässt hier Biedermeier-Vitrinen aus dem Kaiserlichen Hofmobiliendepot schmollen. Abgewandt, mit der repräsentativen Schauseite eng an die Wand gepresst, bilden die kargen Möbel-Rückseiten eine trotzige Phalanx gegen den etwas ratlosen Besucher. Verstoßen aus dem bürgerlichen Wohnzimmer - womit hat man das verdient? Schulmeisterlich streng geht Ziegler auch mit dem Problem Museum/Kommerz ins Gericht. In 40 Geschäften der Wiener Innenstadt hat er Schaukästen aus Museen platziert, vollgestopft mit vergoldetem Stroh. Goldene Krauthappel wären wohl doch zu verwegen gewesen.

Bis 7. 9. Di. bis So. 10-18 Uhr, Do. 10-20 Uhr.



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