28.04.2002 20:39:00 MEZ
Ein Betontisch mit Bekenntnistext
Heimo Zobernigs Mahnmal für Salzburg

von Anselm Wagner


Salzburg - "Denkmäler stützen nicht das Erinnern, sondern das Erinnern produziert Denkmäler", meinte Thomas Zaunschirm beim Symposium Das Mahnmal in der Galerie 5020. Anlass war der internationale Wettbewerb zu einem Antifaschismus-Mahnmal auf dem Bahnhofsvorplatz, aus dem das Projekt von Heimo Zobernig aus 285 Einreichungen siegreich hervorging. Zaunschirms Erkenntnis dürfte zu spät kommen, denn die Hoffnung auf ein Wachhalten der Erinnerung wird Zobernigs Arbeit genauso wenig erfüllen wie alle Denkmäler vor und nach ihm.

Dabei wäre Widerständiges im öffentlichen Raum durchaus notwendig, gerade in einer Stadt wie Salzburg, der Hochburg der "Ehemaligen", wo noch Josef Thoraks Monumentalplastiken seit 1950 (!) ungeniert herumstehen und man sich seit kurzem mit Theodor Herzl als Zeugen für Salzburgs angebliche Judenfreundlichkeit brüstet. In Zaunschirms Sinn war der Vorschlag des Krefelder Autors Peter Schanz, den Wettbewerb alle paar Jahre zu wiederholen, ohne das Siegerprojekt zu realisieren - eine Idee, welche die Jury gleich in der ersten Runde verwarf.

Schließlich wollte man einen "geeigneten Raum für privates wie öffentliches Bedenken", ausgestattet mit "erläuternden Texttafeln" und "platzgestalterischen Überlegungen" für den vorgesehenen Ort, einen "Hain" am Ende des Platzes, wo die Bäumchen des Architekten Schürmann in Reih und Glied Parade stehen. Angesichts dessen gleicht es einem Wunder, dass das den traditionellen Denkmalsbegriff untergrabende Plakatprojekt von Gerhard Spring und Julius Deutschbauer auf den zweiten Platz kam.

Zobernig, Österreichs versiertester Dienstleistungs-und Kontextkünstler, lieferte hingegen haargenau das Gewünschte: einen Betontisch von 280 cm Höhe, an dessen Unterseite der antifaschistische Bekenntnistext der Ausschreibung eingraviert ist. Man kann den Tisch als Wartehäuschen, Tempel oder Altar lesen; seine Offenheit ermöglicht "öffentliches", seine Niedrigkeit "privates Bedenken". Damit dem allzu monumentalen Rasterplan der Umgebung nicht allzu viel Konformität gezollt wird, fehlt das vierte Tischbein: Durch diese Geste droht das Mahnmal jederzeit umzukippen.

Und damit die "figurative Tradition antifaschistischer Denkmäler" (Zobernig), d. h. der Kunstbegriff der Normalbürger, nicht zu kurz kommt, ist zwischen einem der Tischbeine und der Deckplatte ein Bronzekopf eingefügt.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.04. 2002)


Quelle: © derStandard.at