Salzburger Nachrichten am 11. April 2002 - Bereich: kultur
GALERIENBLICK
Ein Vergessener des Exils


GALERIENBLICK

Ein Vergessener des Exils

Wer kennt Ernst Eisenmayer? Auch er zählt zu jenen, die Österreich verlassen mussten. Der aus Wien stammende, 1920 geborene jüdische Maler und Bildhauer entging nur knapp den Nazigräueln. In das KZ Dachau deportiert, konnte er dank Unterstützung durch eine englische Familie noch rechtzeitig emigrieren. Während des Krieges sicherte er sich als Werkzeugmacher seine Existenz. Als Künstler wurde er erst allmählich in England bekannt, nicht zuletzt dank der Kontaktnahme mit Persönlichkeiten wie Oskar Kokoschka, Erich Fried oder Georg Eisler. Nach Zwischenstationen in der Toskana und in Amsterdam lebt Eisenmayer seit 1996 wieder in Wien. Hier ist er ungeachtet einer Einzelausstellung in der Secession 1967 de facto unbekannt geblieben. Das Wiener Jüdische Museum erinnert an ihn mit einer Retrospektive unter der Devise "About the Dignity of Man".

Stilistisch ist Eisenmayer ein Nachfahre der klassischen Moderne, thematisch spiegelt sich die eigene Biographie weitgehend in seinem Werk. Er selbst sieht sich als Künstler, "der viele Schrecken, aber auch die positiven Herausforderungen des 20. Jahrhunderts miterlebt hat". Unter den Gemälden und Zeichnungen im Jüdischen Museum dominiert das Porträt, es zeugt von eindringlichem Charakterisierungsvermö-gen. Erschütternd ein 1948 entstandenes Ölbild "Wien 1938", das mit heftigen Strichlagen einen die Straße waschenden Juden zeigt. Eine Reihe von Bildern ist düsteren Londoner Straßenszenen gewidmet, der Mensch tritt dabei gegenüber Kränen, Baggern und Gerüsten völlig in den Hintergrund.

Seit den sechziger Jahren widmet sich Eisenmayer auch der Skulptur, er arbeitet mit Bronze, Stahl und Stein. Der Mensch steht auch hier im Mittelpunkt, allein oder in der Gruppe. Die Plastiken sind Metapher für menschliche Würde ungeachtet von Aggression und Gewalt. Kennzeichnend für die Struktur der auf das Wesentliche reduzierten Plastiken ist eine Fülle an Hohlräumen, um die Figur komplex erscheinen zu lassen. Der Betrachter wird an Vorbilder wie Henry Moore oder Giacometti erinnert. FROH