Knopfdrucktrainer zur Fingerertüchtigung

Die Kunstbiennale Venedig dauert bis zum 4. November. In den Pavillons zeigen 32 Länder in eigener Verantwortung ihre Beiträge zur aktuellen Kunst.


Frische Vielfalt dominiert in Venedig: Arbeiten vieler Künstler, die bei Ausstellung so genannter "junger Kunst" in den letzten Jahren präsentiert wurden, hat Kurator Harald Szeemann für sein "Plateau der Menschheit" im Arsenal zusammengeführt.

Harald Szeemann / ©Bild: APA
Harald Szeemann / ©Bild: APA

Die Schau der Biennale im restaurierten Waffendepot der einstigen Großmacht Venedig entpuppt sich als vielfältige und bunte Medienausstellung, DVD-Projektionen und Fotografien sind vorherrschend.

Löwe an deutschen Künstler

Bei der Eröffnung der 49. Kunstbiennale ist am Samstag der Deutsche Pavillon mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden. Damit würdigte die Jury den Beitrag des 1969 geborenen Gregor Schneider, der mit seinem "obsessiven Labyrinth aus Räumen" ebenso die "Bedingungen des Unwohlfühlens wie die Möglichkeiten von Freiheit" reflektiere.

Der Künstler hatte tonnenschwere Teile seines Wohnhauses in Rheydt bei Mönchengladbach nach Venedig bringen lassen und dort zu einem dreistöckigen, verschachtelten Gebäude mit vielen Zimmern, toten Räumen und Kriechgängen wieder zusammengesetzt.

Serra und Twombly

Zwei weitere Goldene Löwen gingen bei der Preisvergabe an den amerikanischen Bildhauer Richard Serra und seinen Landsmann, den Meister der kontemplativen Kritzelei, Cy Twombly. Serra sorgte im Arsenal mit seinen 240 Tonnen schweren Stahl-Spiralen für Aufsehen.

Richard Serra / ©Bild: APA
Richard Serra / ©Bild: APA

Ihren Spezialpreis verlieh die Jury an die Kanadier Janet Cardiff und Georges Bures Miller für ihr "neuartiges kinematisches Experiment", womit sie Fiktion und Realität zu vielfältigen "Reisen durch Raum und Zeit" verbinden. Weitere der undotierten allgemeinen Preise gingen an die Italienerin Marisa Merz und den Franzosen Pierre Huyghe.

Schlange vor deutschem Pavillon

Das mit dem Preis für den besten Länderpavillon geehrte deutsche Ausstellungsgebäude war auch am Eröffnungstag vom Publikum belagert, da immer nur wenige Besucher gleichzeitig eingelassen werden. Sie sehen dort die Ausstattung eines ganz gewöhnlichen Hauses von kleinbürgerlichem Zuschnitt und mit muffigem Geruch.

Der Reiz soll in der Undurchschaubarkeit des Ganzen, in dem verwirrenden Spiel mit Aus- und Eingängen, mit Fenstern ohne Ausblick und Gängen ohne Ziel bestehen. Zudem sind einige Räume noch schall- und strahlenisoliert.

Ruhe am Originalschauplatz

Während sich die Neugierigen iin Venedig stauen, ist in Rheydt "alles ruhig". Der "Lorbeer" für den Künstler Gregor Schneider hatte bisher noch keinen spontanen "Kulturtourismus" zum eigentlichen Inspirationsquell ausgelöst. "Es wäre auch seltsam, wenn die Leute vor einem leeren Haus stünden", sagte am Montag ein Sprecher der Stadt Mönchengladbach.

Aktuelle Trends

Die bis zum 4. November dauernde Kunstbiennale ist spätestens mit ihrer diesjährigen Ausgabe auf der Höhe des Zeitgeistes angekommen. Nach der Verjüngungskur, die der Schweizer Ausstellungsmacher Harald Szeemann der bereits 1895 gegründeten "Mutter aller Biennalen" vor zwei Jahren verordnet hatte, machen sich diesmal die aktuellen postmodernen Trends der Kunstszene nahezu in allen nationalen Pavillons auf dem Gelände der Giardini di Castello geltend.

Überall konnte man auf eigentümliche Videos, auf Selbstinszenierungen und befremdliche Horror-Trips stoßen. Neben Gregor Schneiders Schachtelbau ist dazu etwa ein hölzerner Gang ohne Öffnung des Isländers Finnbogi Petursson zu rechnen, bei dem man zusätzlich durch Vibrationen irritiert wird.

Künstler auf Ego-Trip

Auf dem Ego-Trip ist etwa der Schweizer Urs Lüthi, der sich selbst als Kunstwerk anbietet: Wie hingegossen in einer typischen Pose ist der kahlköpfige Mann als naturgetreue Plastik präsent, aber auch in Videos auf Laufbändern zu sehen oder auf großen Fotos aus Jünglingstagen.

Black-Box-Gebot

Das Black-Box-Gebot der Stunde hat dazu geführt, dass vor allem die Glas- und Stahl-Pavillons der Nachkriegsmoderne lichtundurchlässig verrammelt werden mussten. So wie der kanadische Pavillon mit den "Löwen"-gekrönten Künstlern Janet Cardiff und George Bures Miller ist auch jener Australiens völlig umhüllt - für eine auf Venedig bezogene Videoarbeit von Lyndal Jones.

Pierre Huyghe
Pierre Huyghe

Video-Projektionen und eine Licht-Installation sind auch im Pavillon Frankreichs zu sehen, das Pierre Huyghe nominiert hat. "Ann Lee", die japanische Comicfigur, für die Huyghe die Lizenz gekauft hat und die nun als Kunst- und nicht mehr als Reklamefigur agieren darf, ist nun auch in Venedig mit dabei, ebenso wie sie derzeit in Wien (in der Generali Foundation) über den Videoscreen marschiert.

Körperstählung

Wem nach allen Körperattacken Erschöpfungszustände drohen, dem kann im ungarischen Pavillon geholfen werden. Dort bietet Antal Lakner nicht nur Tretmobile zur Fortbewegung in den Giardinis an, sondern auch neue Fitnessgeräte zur Körperstählung. Etwa einen Scheibtruhen-Fahrtrainer, einen Säge-Trainer oder - unerlässlich für Handy-Benutzer - den Knopfdrucktrainer zur Fingerertüchtigung.

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Die österreichischen Beiträge zur Biennale in ON Kultur: "Granular Synthesis" und "Gelatin". Mehr...

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