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dieStandard.at | Kultur 
04. März 2009
18:38 MEZ

Eine Textspende aus dem aktuellen Heft der Zeitschrift Malmoe (Heft 45), welche Anfang März erschienen ist.

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www.malmoe.org

 
Kampfplatz Tanzfläche?
Wegen sexistischer und homophober Übergriffe verlässt das queer-feministische DJ-Kollektiv quote temporär das Fluc - einen der wenigen offenen Orte Wiens

In der neuen Ausgabe der Malmoe (Heft 45) sprechen die Betreiberinnen der quote mit den Verantwortlichen des Wiener Fluc über ihren Umzug in den "geschützten" Kunstraum brut. Daraus geworden ist eine gemeinsame Reflexion darüber, ob geschützte Räume mit Securities und politische Ansprüche mit Party noch vereinbar sind:

Malmoe: Was verhindert im Moment, dass die quote ihren Anspruch an einen queerfeministischen Raum im Fluc realisieren kann? Haben die Übergriffe zugenommen?

Nic: Zugenommen haben sie eigentlich nicht, es war immer gleich: Es gibt im Fluc sexistische und homophobe Übergriffe, sowohl auf DJs als auch auf GästInnen.

IiF: Das hat auch damit zu tun, dass das Fluc ein offener Ort ist. Dass die Leute hier oben ohne Eintritt hereinkommen können und ohne großen Cornetto, der an der Tür steht und schaut, ob dein Gesicht oder dein Gewand schön aussieht - das schätzen wir ja sehr. Auf der anderen Seite hätten dann eigentlich alle Menschen die Verantwortung, zu schauen, dass hier ein feministisch-queerer Raum entstehen kann. Also dass die Klassiker, die betrunkenen sexistischen Anmachen hier keinen Platz haben bzw. dass sofort eingegriffen werden kann, wenn sie auftreten. Das passiert aber nicht immer, weil oft das Verhältnis nicht stimmt.

Nic: Wenn zu wenig quote-Stammpublikum da ist, ist es für die paar Schwulen und Lesben schwer, ihre Party zu feiern.

IiF: Zum Beispiel tanzen zwei Frauen oder küssen sich, und dann kommt ein Typ zu ihnen und will entweder etwas Blödes melden oder handgreiflich werden. Das ist einfach nicht angenehm, wenn eine nur eine Party feiern will.

Malmoe: Martin (Mitbetreiber des Fluc), wie passt das mit eurem Anspruch für das Fluc zusammen?

Martin: Unser Programm ist, dass wir uns als wirklich offenen Raum definieren. Je "erfolgreicher" wir hier agieren, desto größer ist auch das Spektrum oder die Heterogenität an Personen, die ins Fluc kommen und desto größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Konflikte, die in der großen Welt stattfinden, auch hier herinnen stattfinden - einfach weil das gesellschaftliche Spektrum abgedeckt ist.

Nic: Für mich war es ja immer ein total nettes Moment, wenn man auf der Tanzfläche merkt, da ist irgendwas, und sich dann dagegenstellt. Egal ob das Quotist_innen oder das Quote-Publikum waren. Aber natürlich ist es anstrengend, dass man es machen muss.

IiF: Es geht um die Frage, ob wir uns die Anstrengung jedes Mal antun wollen. Beim Ladyfest oder Rampenfiber-Festival gibt es zwei, drei konzentrierte Tage, und dann ist wieder Ruhe. Aber wir sind ja regelmäßig, jeden Monat, dran. Wollen wir uns das jedes Mal wieder geben?

Sushi: Im Fluc ist man sehr stark mit diesen Überschneidungen konfrontiert, die mich so wahnsinnig machen, weil ich kein Tool habe, um damit umzugehen. Hier kreuzen sich Rassismus, Sexismus, Homophobie, Transphobie. Das prallt hier alles auf einander, weil diese Konflikte nicht lösbar sind, sondern permanent ausgehandelt werden müssen. Das ist spannend und bringt mich gleichzeitig immer wieder an meine eigenen Grenzen.

Malmoe: Weil die Konflikte so überlagert sind?

Sushi: Weil ich in jeder Situation eine unterschiedliche Position einnehme: Als Frau mit Migrationshintergrund, als Lesbe, dann aber wieder als Mehrheitsösterreicherin mit einem österreichischen Pass, die vielleicht einem Typen ohne einen solchen sagt, er soll sich schleichen; und das nicht mal auf nette Weise, weil ich zu angepisst bin. Das beschäftigt mich dann weiter.

Nic: Manchmal will man einfach tanzen gehen. Im Fluc habe ich das Gefühl, immer zu schauen, ob eh alles passt. Das muss man draußen auch machen - auf der Straße, in der U-Bahn oder sonst wo -, weil Gesellschaft nun mal so ist. Was Sexismus betrifft, ist sie halt Scheiße.

IiF: Dazu kommt auch das Ökonomische ins Spiel. Das macht diesen - ich nenne es mal Burn-Out - aus. Du denkst dir: Ich habe eh genug mit meiner Lohnarbeit und anderen Dingen zu tun, dass ich mir diese zusätzliche Anstrengung nicht mehr antue. Könnte ich hauptberuflich feministische Veranstaltungen organisieren, dann würde ich natürlich auf allen Ebenen, die es nur gibt, arbeiten um zu vermitteln. Das ist das Problem von politischen Räumen insgesamt, aber bei feministischen Räumen ist es wegen des finanziellen Ungleichgewichts noch mal verschärft.

Malmoe: Seht ihr eine Verbindung dazu, wie sich der Praterstern als Ort verändert - durch die Umbauten für die EM oder den neuen Praterdome? Hat sich damit etwas in Bezug auf das "Laufpublikum" verändert?

IiF: Der Praterstern als Ort hat sicher einen Einfluss.

Martin: Die Menschen, die hier vorbeigehen und die hier wohnen, sind hier natürlich auch repräsentativ vertreten.

IiF: Auch die, die am Bahnhof wohnen. Aber das ist auch okay, solange sie sich nicht übergriffig an eine Person ranmachen.

Martin: Wir reiben uns ja nicht nur einmal im Monat, sondern täglich mit allen möglichen kriminellen, rassistischen, sexistischen Dingen. Es gibt auch Leute, die hier anfangen Afrikaner zu beschimpfen oder welche, die am Tisch dealen oder eine Flasche Bier durch die Gegend schmeißen. Alles. In der Mehrzahl gibt es freilich spannende und lustige Abende ohne Konflikte. Das Fluc ist kein Kampfplatz, sondern die Abbildung gesellschaftlicher Realität.

IiF: Die Stimmung im Raum hängt ja sehr oder fast ausschließlich vom Selbstverständnis der Leute ab. Manchmal geht es, Leute mit einem anderen Selbstverständnis auch mal von etwas zu überzeugen. Das ist der Anspruch, den wir haben, aber das ist eben der Anspruch, der das Fluc manchmal zum Kampfplatz macht.

Malmoe: Welche Strategien hat das Fluc, aber auch die quote bis jetzt denn probiert?

Martin: Wir waren ja schon vor einem Jahr einmal an diesem Punkt, dass quote gehen wollte. Wir haben dann mit mehr Securities reagiert. Die sind bei uns eher "unsichtbar" - tragen also kein T-Shirt oder Stirnband, auf dem groß "Security" steht -, stehen am Wochenende aber mittlerweile meistens auch schon an der Tür. Das ist für gewisse Extremsituationen, die selten, aber doch passieren können, ganz gut. Andererseits ist das gegenseitige Aufrüsten auch nicht der letzte Schluss.

Sushi: Mich würde interessieren, wer die Securities sind, und wie sie qualifiziert sind - etwa durch sensibilisierende Trainings? Es macht ja einen Unterschied, wer interveniert, und wie das getan wird.

Martin: Das sind meistens noch Leute aus der alten Fluc-Zeit. Wir hatten eine Frau als Security, aber die gibt es jetzt nicht mehr. Die Securities sind politisch informiert und engagiert, dass sie nicht rassistisch oder auf andere Weise agieren, sondern im Gegenteil solche Sachen ahnden. Erst vor kurzem haben sich die Frauen vom Rampenfiber-Festival, das hier voraussichtlich im Herbst stattfinden wird, gewünscht, dass sie selbst unseren Securities eine Spezialschulung vermitteln. Grundsätzlich hat die Security, wenn ein feministischer Abend stattfindet, von uns die Weisung, gleich mit den Veranstalterinnen Kontakt aufzunehmen und dezidiert zu fragen, ob gewollt ist, dass sie im Problemfall mitverhandeln und einschreiten. Das ist ja die nächste Schwierigkeit: Inwieweit wollen sich feministische Gruppen von Männern beschützen lassen?

Malmoe: Könnt ihr euch als Teil der quote Schutz durch Männer vorstellen?

Nic: Mir ist ehrlich gesagt egal, ob das eine Frau oder ein Mann ist. Wir versuchen Konflikte zuerst als quote zu regeln, und wenn wir wegen Unterzahl oder fehlender Kampfkraft Hilfe brauchen, dann will ich mich an jemanden wenden können und dass das auch funktioniert.

IiF: Als politisches Konzept finde ich es natürlich nicht super. Da bin ich auf der Seite, dass wir das eigentlich schon selbst hinkriegen sollten, ohne dass der große starke Mann dasteht, der uns beschützen muss.

Malmoe: Wie habt ihr es bis jetzt gehandhabt, wenn etwas passiert ist? Bekommt ihr als DJs Übergriffe überhaupt mit?

IiF: Natürlich haben wir quote-intern unsere Leute sensibilisiert einzugreifen. Auf unserer Website haben wir ein sogenanntes Self-Security-Konzept gepostet: einen Aufruf, dass, wenn Leute etwas mitbekommen, zumindest nachzufragen, ob alles okay ist oder ob jemand Hilfe braucht. Einmal kam eine Frau wegen eines übergriffigen Typen zu mir ans DJ-Pult. Da habe ich die Musik abgedreht und gemeint, dass ich erst wieder aufdrehe, wenn der draußen ist. Das hat sehr gut funktioniert, weil die Leute weitertanzen wollten. Aber in den meisten Fällen kriege ich Übergriffe eigentlich nur mit, wenn ich direkt daneben stehe.

Malmoe: Das sind die Feuerwehr-Strategien, wenn schon etwas passiert ist. Was für Möglichkeiten, welchen Spielraum gibt es davor? Macht es etwa einen Unterschied, was auf eurem Flyer steht?

Sushi: Beim Ladyfest gibt es zum Beispiel Strategien, Zettel aufzuhängen oder Poster "Hier werden keine rassistischen/sexistischen/ homophoben etc. Übergriffe geduldet".

Nic: Wir hatten früher ein Transparent, auf dem „quote" stand. Wenn man jetzt hereinkommt, merkt man ja gar nicht unbedingt, dass das ein queer-feministischer Club ist. So sehr hören Leute auch nicht auf die Musik. Visuell macht quote im Moment gar nichts.

Martin: Wir haben noch nie probiert, jemanden an der Tür offensiv Handlungsanleitungen zu vermitteln. Ob das dazu motiviert, diese extra zu überschreiten oder zu befolgen, ist eine andere Sache.

IiF: Ihr hattet im Fluc mal Zettel hängen, dass rassistische Äußerungen nicht erwünscht sind. Da war ich sehr erfreut!

Martin: Für mich wäre es anstrengend, wenn ich den Kodex von jeder Veranstaltung hier mit Zetteln beflyern würde, weil jede VeranstalterIn auf anderes Wert legt. Es ist halt auch ein Problem, wie didaktisch man daherkommt, wie sehr hier ein Raum voller Gebote ist - Hunde an die Leine, Achtung Taschendiebe, Flaschenpfand.

Malmoe: Du meinst, sonst wird der Freiraum zum Verbotsraum?

Martin: Zum Schilderwald. Und irgendwo hören die Leute dann auf zu denken. In die Ecke Pissen stand nirgends auf der Tafel, das darf ich schon! Gab es im Fluc auch schon.

IiF: Schilder sind prinzipiell gut, aber dadurch habe ich dann auch eine Bringschuld. Ich kann nicht irgendwo etwas aufhängen und dann denken, damit wäre es getan.

Malmoe: Geht mit dem temporären Umzug ins brut im Künstlerhaus für euch etwas an Kommunikation verloren?

IiF: Auf jeden Fall wird etwas an Diskussion verloren gehen. Das ist dieses Versus: Offene Räume vs. geschützte Räume. Also geschützt, vor Übergriffen gefeit sind wir alle ja praktisch nirgends. Aber jetzt probieren wir aus, ob es einen Unterschied macht, wenn wir uns das Publikum sozusagen aussuchen. Ins brut verirrt sich kaum jemand zufällig, weil dort auch nicht jeden Abend irgendeine Veranstaltung ist. Es werden hauptsächlich Leute hinkommen, die zur quote kommen wollen.

Nic: Für mich geht verloren, sich Räume zu nehmen. Überspitzt gesagt ist das Ghettoisierung, sich wieder irgendwohin verstecken, weil es woanders mit den Durchschnittsleuten nicht funktioniert.

Malmoe: Ein Stück vom Kuchen wird damit wegfallen...

Nic: Es wird ein Stück vom Kuchen ausgetauscht, weil der ganze Kuchen gerade nicht erreichbar ist. Es wird quasi getauscht elitäre Gesellschaftsschicht gegen weniger Anstrengung. Die Arbeit ist genauso viel, aber sie geht in eine andere Richtung.

Sushi: Sexistische Übergriffe sind, fürchte ich, im brut genauso wahrscheinlich. Vielleicht nicht so derb auf der körperlichen Ebene. Allerdings hoffe ich, dass wir dort wieder eine Basis mobilisieren können. Ich habe Lust, Leute, die früher bei der quote waren, zu mobilisieren, und die dann wieder ins Fluc zu bringen. Natürlich habe ich auch beim brut ein bestimmtes Bild oder bestimmte Befürchtungen.

Nic: Darüber können wir dann in einem halben Jahr reden. Auch die Erleichterungen, die wir uns erhoffen, müssen nicht eintreten. Deswegen ist der Umzug ja auch ein temporäres Gschichtl.

Moderation: Katharina Ludwig

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