Eine neue Ausstellung prunkt mit der Vielseitigkeit des deutschen Maler-Superstars Gerhard Richter
Albertina: Vom Großmeister des kapitalistischen Realismus
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Bestechend unscharf: Richters "Waldhaus". Foto: Privatsammlung
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00084050-Dateien/wzfeld.gif)
Fast 20 Jahre liegt die letzte Personale des Maler-Superstars Gerhard
Richter in Wien nun schon zurück. Deshalb hat die Albertina jetzt nicht
nur eine deutsche Wanderschau der Sammlung Frieder Burda übernommen,
sondern wartet mit einer wesentlichen Ergänzung auf – und eigentlich
sind diese 90 Papierarbeiten das besondere "Zuckerl" der Schau. Denn
sie sind weniger bekannt als die zwischen Abstraktion und Figuration
beständig wechselnden Gemälde.
Richter, ein Meister von
Weltrang, ließ sich vom propagierten Ende der Malerei nach 1970
geradezu anstacheln, alle Theorie über sein Metier wortlos zu
entsorgen. Kritiker und Kunsthistoriker haben es also schwer mit dem
Mann, der nach einer Ausbildung zum Bühnen- und Werbemaler an der
Dresdner Akademie studierte, bevor er 1961 aus der DDR in die BRD floh.
Im Düsseldorfer Umfeld begegnete er Sigmar Polke und Konrad Lueg: Die
drei gründeten den "kapitalistische Realismus" – einerseits als Antwort
auf den sozialistischen im Osten, andererseits als ironische
Stellungnahme zu dem, was im Westen passierte. Wer beide Seiten kennt,
gewinnt: 1971 wurde Richter Professor in Düsseldorf und unterstützte
als einer der wenigen den später gekündigten Kollegen Joseph Beuys.
Uneinholbare Könnerschaft
Der wohl schärfste Analytiker unserer Zeit vertrat schon vor den
Debatten zur Postmoderne einen offenen Werkbegriff, der Stilbrüche zum
Konzept erhebt. Den beliebigen Wechsel verbindet er allerdings mit
uneinholbarer Könnerschaft in der Nachfolge der barocken Holländer oder
der deutschen Romantik. Dazu kommt seine Orientierung an Fotografien,
Collagen und Zeitungsausschnitten, die er oft als Vorlage nützt. Daraus
entstand eine eigene Strömung der jungen Generation: die zur Fotografie
korrespondierende Malerei. Richters Düsseldorfer Schüler kehrten diese
mühelos in eine malerisch konzipierte Fotografie um.
Der Künstler gelangte schon in den 60ern mit seinen unscharfen
Fotoparaphrasen zwischen hochpolitischen Inhalten und belanglosen
Momentaufnahmen der Konsumgesellschaft zu Weltruhm. Er nahm sich die
NS-Vergangenheitsbewältigung genauso vor wie den RAF-Terror. Richter
vertrat Deutschland immer wieder auf Biennalen, seine
Documenta-Beiträge sind kaum zählbar, und natürlich schaffte er es mit
der Londoner Tate und dem Museum of Modern Art in New York in den
Ausstellungsolymp.
Dabei leben auch Richters kleine Papierarbeiten vom
Stilbruchkonzept, sind aber meist gegenstandslose Farbverläufe, die
jenen "Vermalungen" bunter Farbschlingen in der Ölmalerei nahestehen.
Neben Wasserfarbe spielt er mit der Konsistenz des Öls, das auch über
Fotografien eine lockere Vorhangsstruktur hinterlässt.
Stark in der Unschärfe
Ob minimalistische Lackbildobjekte, asketisch graue Farbfelder oder
üppige Farbexplosionen, Fotorealismus oder expressive Pinselspuren –
Richter kann alles und malt in allen Formaten. Interessant dabei, dass
auch in Werk serien keine Routine zu sehen ist – außer Richter selbst
will diese thematisieren.
Möglicherweise liegt es an der Methode, wohl eher aber an der Liebe
zur Malerei an sich: Der scheinbar kühle Richter ist am stärksten, wenn
er unter abstrakten Farbschleiern Gegenstände versteckt – oder uns nur
vermuten lässt, es könnte so sein.
Ausstellung
Gerhard Richter
Barbara Steffen, Klaus Albrecht Schröder (Kuratoren) Kahn Galleries in der Albertina Bis 3. Mai
Printausgabe vom Freitag, 30. Jänner 2009
Kommentare zum Artikel:
05.02.2009 sowieso
auf jeden Fall steht gerade
die Albertina ja für die moderne, war ja gerade noch die Ausstellung
Nach 1970 im Gange, und die hatte es in sich, da waren so viele
verschiedene Positionen vertreten, ein Augenschmaus! Freue mich aber
auch auf diese Werkschau und bin gespannt wie sie sich repräsentiert.
Hannerl
30.01.2009 eine halbe ewigkeit...
... musste man in österreich
auf eine ausstellung des wohl bedeutendsten deutschen malers der
gegenwart warten, wobei einmal mehr die albertina als schauplatz der
retrospektive dient und damit beweist, dass sie ihre räume nicht nur
"alten" malern zur verfügung stellt, sondern auch für zeitgenössische
kunst durchaus etwas übrig hat. gerhard richter selbst gilt ja eher als
medienscheu, weshalb seine bilder umso mehr aussage haben müssen, um
den maler dahinter zu erkennen. bin jedenfalls schon sehr gespannt,
welchen mix die verantwortlichen des museums zusammengestellt haben, um
einen einblick in das "seelenleben" richters zu geben.
Marian N.
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