Ich pinkle, also bin ich
![Aufzählung Aufzählung](00083282-Dateien/wzfeld.gif)
(cai) Wo Godzilla hintritt, wächst bekanntlich kein Japaner mehr. Aber das ist gar nichts. Denn wo Stephan Reusse hin
pinkelt , da wächst kein .. . ach nein, da wächst eh was. Das
ist
ja grad die Sensation. Sofort sprießt ein Blümchen empor. Als hätte er
magisches Substral (das Dopingmittel für Pflanzen) in der Blase. Kommt
mir sowieso alles wie Magie vor.
Doch während herkömmliche Zauberer ein völlig verstörtes Kaninchen
aus einem Hut zerren, holt Reusse aus besagter Kopfbedeckung lieber den
Joseph Beuys heraus. Und einem leeren Stück Papier entlockt er einen
Elefanten. (Nein, keinen Origami-Elefanten.) Ein Video in der Galerie
Feichtner zeigt den Vorgang: Reusse tunkt einen Besen in einen Kübel
mit Harnsalzen ein, kehrt über eine weiße Fläche drüber, auf der
plötzlich ein Elefant erscheint. Okay, kein echter, bloß ein Foto.
Natürlich war der schon vorher da. Reusse hat ihn mit chemischen
Mitteln verschwinden und nachher ebenso wieder auftauchen lassen. So
hat er’s auch mit den Blumen gemacht und mit dem Hut auf dem Kopf vom
Joseph Beuys. Alles Fotos, die er mit seiner gewagten
Bewässerungstechnik "entwickelt" hat. Oft hat er einfach
draufgepinkelt. (Aha, kein Ismus, ein Pissmus!)
Dann wird’s paranormal. In leeren Betten und Zimmern stöbert er mit
einer temperaturempfindlichen Kamera die Wärmerückstände von Personen
auf, die den Raum längst verlassen haben. Leintücher und Luft haben ein
Kurzzeitgedächtnis. Die vergessen uns erst nach Minuten. Reusse ist
halt der David Copperfield der Fotografie. (Oder der Uri Geller?) Meine
überschwängliche Begeisterung für diesen Mix aus Kunst und Hightech
könnte aber auch lediglich von meiner Naivität herrühren. Für mich ist
ja schon eine elektrische Zahnbürste ein Wunder.
Galerie Feichtner
(Seilerstätte 19) Stephan Reusse Bis 6. Dezember Di. – Fr.: 10 – 18 Uhr Sa.: 10 – 16 Uhr
Im Kopf des Schweindls
(cai) Man ist ja vorgewarnt: "Zutritt zur Installation ab 18 Jahren."
Na ja, vielleicht hätte man auf das Schild noch schreiben können: "Vor
dem Eintreten Nase zuhalten." Denn das könnte immerhin die Psyche eines
Perversen darstellen, was Bjarne Melgaard da in einem separaten Raum
der Galerie Krinzinger aufs Brachialste improvisiert hat. Das Aroma
haut einen jedenfalls fast um. Blut? Nein, eh nicht. Aber penetrante
Lösungsmitteldämpfe schweben über dem Chaos. Skalpelle, Tschick, Fotos
von romantisch verklärten Knaben, Skulpturen von Hardrockern mit
heruntergelassenen Hosen. Sollte es Melgaards Absicht gewesen sein,
sich empathisch in das Es eines pädophilen Black-Metal-Fans und
schwulen Kettenrauchers mit bedenklichen chirurgischen Fantasien
hineinzuversetzen, so ist ihm das mit dieser beeindruckenden Sauerei
verdammt gut gelungen. Der Rest der Schau: Naive Gemälde von
Dialyseszenen. Und Sofas, deren Bezugsstoff voller Kreaturen ist, die
an Priapismus leiden. Zur zwanghaften Anhäufung von Erektionen fällt
mir jetzt ganz spontan ein Wort ein: Pubertät.
Galerie Krinzinger
(Seilerstätte 16) Bjarne Melgaard Bis 16. Jänner Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr Sa.: 11 – 16 Uhr
Rülpsender Romantiker
(cai) Es gibt Leute, die schmachten einen Sonnenuntergang an, kriegen
plötzlich Panik (denn es könnte sich ja um Kitsch handeln und Kitsch
ist pfui) und glauben, das Beste, was sie in dieser kompromittierenden
Situation tun können, ist: demonstrativ rülpsen. Harald Gangl dürfte so
einer sein. Die fremdkörperartigen Gesten in seinen unglaublich
perfekten Farb-Idyllen scheinen zu sagen: "Das ist gar keine Landschaft. Das ist abstrakt. Wenn Sie einen romantischen Teich erkennen, ist das Ihr Problem." Tja, die "Rülpser" machen die Bilder endgültig unwiderstehlich.
Galerie Frey
(Gluckgasse 3) Harald Gangl Bis 12. Jänner Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr Sa.: 10 – 16 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 03. Dezember 2008
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