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16.09.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Politische Kunst: "Wir sollten bescheidener sein"
VON ALMUTH SPIEGLER
Catherine David zeigt in der Kunsthalle "From Beirut with Love".

"Die Kunst des arabischen Raums ist bei uns völlig unterrepräsentiert", sagt Kunsthallen-Direktor Gerald Matt nicht nur. Er tut auch etwas dagegen: Schon bevor die Situation im Libanon eskalierte, bat er die französische Star-Kuratorin Catherine David, die als Chefin der "documenta X" vermehrt politische Video- und Medienkunst einbezog, ein Schwerpunktprogramm über diese "latent krisengeschüttelte Pufferzone zwischen israelischen und arabischen Interessen" zusammenzustellen.

Diesen Samstag werden jetzt in der "Ursula Blicke Videolounge" im Keller der Kunsthalle unter dem Titel "From Beirut with Love" sechs Kurzfilme und Videos präsentiert. Dazu sprechen Catherine David, der libanesische Journalist Pierre Abi-Saab und "Presse"-Kriegsreporter Thomas Seifert über ihre Erfahrungen und die Rolle, die Kunst in Krisengebieten spielt - oder nicht.

Wie im Irak etwa. In diesem "Desaster", so David zur "Presse", sind die Menschen mehr mit Überleben beschäftigt als mit der Produktion von Kunst. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit der Kunst im Nahen Osten, arbeitete zuletzt daran, die experimentelle Plattform "Contemporary Arab Representations" zu etablieren, die unter anderem zur Ausstellung "Die irakische Gleichung" in Berlin und Barcelona führte.

Im Frühjahr 2005 reiste sie das letzte Mal in den Libanon, in zwei Wochen wird sie Beirut wieder besuchen. "Die Kunstszene dort ist sehr aktiv und jung", erzählt sie. "Die Künstler arbeiten präzise und analytisch und wollen ihre Heimat nicht verlassen. An Karriere sind sie nicht vorrangig interessiert, Kunst muss hier nicht wie im Westen erfolgreich und glamourös sein."

Ihre Filme und Performances können die Künstler im Libanon vor allem bei Festivals zeigen. In Beirut gibt es nur eine einzige Galerie für zeitgenössische Kunst, die Dependance der Hamburger Galerie Sfeir-Semler.

Als Frau, so David, habe sie bisher bei ihren Reisen und ihrer Arbeit im arabischen Raum keine Probleme gehabt. "Wir im Westen leben ja auch in patriarchalen Strukturen - und müssten wissen, wie schwer es ist, da herauszukommen", meint David. "Da sollten wir ein wenig bescheidener sein mit unserer feministischen Kritik."

Speziell im Libanon, in Ägypten und Palästina gebe es in der jüngeren Generation auffallend viele Künstlerinnen. Und auch im Irak habe David Frauen getroffen, die politisch viel bewusster waren als sie es im Westen gewohnt sei. Denn: "Wenn man dort nicht politisch ist, stirbt man."

Vortragsrunde und Videofilmprogramm: Sa., 16. 9., ab 17 h, Kunsthalle Wien, MQ.

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