Salzburger Nachrichten am 15. November 2005 - Bereich: Kultur
Kunst und Wissenschaft Die Salzburger Tanzszene
zeigte in der ARGE, wo sie derzeit gerade steht
KARL HARBSALZBURG (SN). Editta Braun, die "Urmutter" der Salzburger
Tanzszene, beendete am Sonntag in der ARGEkultur in Salzburg einen
vierteiligen Tanz-Theater-Schwerpunkt mit ihrem neuen, diesmal
griechisch-österreichischen Projekt als Österreich-Premiere und setzte zum
Ausklang einen kraftvollen Impuls. "oXalis" ist eine Testreihe an fühllosen, aber entsprechend
konditionierten und programmierten Gen-Menschen-Wesen. Unter der
Beobachtung einer Laborantin agieren in einer Art Boxring zunächst vier,
dann fünf golemartige Geschöpfe und vollführen im Sinne des Wortes
"Ring-Kämpfe". Von Fall zu Fall werden Gegenstände (Plastiksackerl,
Trainingsanzüge) in den Ring geworfen, um die dann neue Kämpfe, neue
Aktionen und Reaktionen entstehen. Auch die Assoziation an einen
Raubtierkäfig ist nicht von der Hand zu weisen. Am Ende sind die Geschöpfe
tot; sie haben sich gewissermaßen selbst zerfleischt. Das Experiment ist,
in den Augen der Wissenschafter, offenbar gelungen. Zynisch-zufrieden
reibt sich die "Chefin" (im Kurzauftritt: Editta Braun selbst) nach
getaner Arbeit die Hände. Eine "Moral" kennt die Geschichte nicht, dafür aber umso markantere,
ausdrucksintensive Tanzkunst. Editta Braun gebietet über ein Quintett
starker Persönlichkeiten, die die Figuren in packende, dabei nie
vordergründig plakative Körpersprache übersetzen. Kraft und
Geschmeidigkeit, Energie und Eleganz schöpft die Szene allein aus
tänzerisch-choreografischen Mitteln. Damit gelingt eine sinnlich-intensive
Verdichtung eines an sich eher banalen szenischen Plots: eine Stunde, die
den Blick bannt. Wissenschaft und Kunst, Recherche und Übersetzung ins Theater: Damit
arbeiten auch Claudia Heu und Jeremy Xido, deren Produktion "Trace" eine
in den November 2008 vorverlegte Fiktion einer "Vorlesung" ist. Objekt der
medizinisch-schauspielerisch-tänzerischen Betrachtung eines
Wissenschafterpaares: ein junger Mann, der bei einem Unfall sein
Gedächtnis verloren hat. Eine der Fragen: Kann man Erinnerung
rekonstruieren? Leider vertrauen Heu und Xido mehr auf das Experiment als auf die
Kunst. Ihre Versuchsanordnung ertrinkt in deutsch-englischem
Wortgebrabbel, nimmt Videoeinblendungen zu Hilfe und kreiert kaum
aufreizende Bewegungsmuster. Die "Performance" kann sich vor allem nicht
entscheiden, was sie wirklich ist und damit, worauf sie hinaus will. So
ist der - ziemlich lange - Abend ein Gemengsel, ein Kunst-Klon ohne
Eigenleben. An Helene Weinzierl und ihrer Compagnie Laroque erfreut immer wieder
der leicht (selbst-)ironisch gebrochene Witz. Ihre auf eine Stunde
kondensierte "Werkschau" aus zehn Jahren heißt (hinter-)sinnig
"[no'konsept]" und spielt locker und pfiffig, munter und augenzwinkernd
mit Versatzstücken der eigenen Vergangenheit. Das schon im Sommer
flott-brillant absolvierte "Fernsehspiel" des "couch potatoes' paradise"
rückt im kleineren ARGE-Rahmen richtig wohnzimmerhaft nahe. Apropos: So
richtig gut auf die Bühne sehen kann man hier nicht, wenn man nicht
zufällig einen Platz in den hinteren, ansteigenden Reihen ergattert... |