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Tanz-Rituale auf dem Rasen: Eine Ikonografie des Sports

Ausstellung in der Nürnberger "Dürer Gesellschaft"

Von Olaf Przybilla

Nürnberg - Die Herrschaften tragen Armani, Rolex und Aktenkoffer - alles, was halt so dazu gehört, zum wegdressierten Mann. Zweiundzwanzig von der Sorte stehen da, so geleckt, so distinguiert, so perfekt. In der Mitte plötzlich ein Ball, dann ein Pfiff. "Anstoß" heißt die Präsentation in der Nürnberger "Albrecht Dürer Gesellschaft", bei der sich diese zweiundzwanzig Lackaffen so imponierend gegenüber stehen wie enthemmte Primaten auf der Weibchensuche. Die Schau zeigt die Anknüpfungspunkte der beliebten Gesellschaftsdisziplinen, die wir in unserer Not in "Sport, Kunst und Politik" unterteilen.

In der Video-Arbeit "Fusion" von Ingeborg Lüscher kicken die netten Grashoppers aus Zürich gegen die flotten Jungs vom FC St. Gallen. Beide Teams in feinem Tuch aus der Herrenboutique. Beide Teams erweisen sich unter diesem Deckmäntelchen als notdürftig domestizierte Triebtiere mit zerebralem Teilbereichsausfall. Das Runde muss ab jetzt nur noch ins Eckige. So war das früher, so ist das jetzt, so bleibt das immerdar.

Während also bei Ingeborg Lüscher ein offenbar ritualisierter Tanz stattfindet, sitzen in der Video-Arbeit "Wisla" von Josef Daberig zwei schwankende Gestalten auf einer Trainerbank und üben sich in Gebärdensprache. Im Hintergrund Tribünen, aus Lautsprechern dröhnt das, was die Besprecher des Sports üblicherweise "Stadionatmosphäre" zu nennen pflegen. Die beiden Herren entsenden Geheimzeichen: Beide Handflächen nach unten, mehrfache Wippbewegung, will sagen: Langsam! Rechter Arm von rechts nach links, fuchtelnd: Nach vorne! Beide Hände, trommelförmig umeinander kreisend: Auswechseln!

Mit der Ikonografie des Sports beschäftigt sich auch Lukas Pusch. Bei ihm gehen die gesellschaftlichen Teilbereiche "Leibesübungen" und "Politik" viel deutlicher - leider auch etwas plakativer - ineinander über. Pusch fertigt einen Holzschnitt nach einem Foto, das die englische Fußball-Nationalmannschaft am Anstoßkreis im Berliner Olympiastadion des Jahres 1938 zeigt. Anstößig ist deren Gestus. Mit gestrecktem rechtem Arm grüßen sie auf die Tribüne. Gleich daneben hängt Pusch die Titelseite einer Boulevardzeitung des Spätsommers 2001. "Sorry, liebe Engländer. Heute blasen wir euch den Marsch", ist darauf zu lesen. Es kam dann seinerzeit - glauben wir uns dunkel zu erinnern - wohl irgendwie anders. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Bis zum 4. November, Albrecht Dürer Gesellschaft/Nürnberger Kunstverein, Füll 12, Telefon 0911 - 24 15 62


Channel: Bayern
Ressort: Bayern Feuilleton
Erscheinungsdatum: 22. 09. 2001