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29.08.2005 - Kultur&Medien / Kultur News | ![]() |
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Nachruf: Irritierendes poetisches Kraftwerk | ![]() |
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VON KURT BARTSCH | ![]() |
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Der Grazer Autor Wolfgang Bauer ist 64-jährig gestorben. | ![]() |
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I Bauer, ein poetisches Kraftwerk, das in den 1960er Jahren
mit Freunden im Forum Stadtpark Graz und in den "manuskripten" den
verspäteten Aufbruch aus kultureller Provinzialität in die Moderne mit
Vehemenz vorantrieb, provozierte das bürgerliche Publikum. Vordergründig
irritierte das dargestellte bohèmehafte Milieu - im Erfolg von 1968,
"Magic Afternoon", auch in "Change" (1969) und den "Gespenstern" (1973) -
sowie die "lockere", normverletzende Umgangssprache, tatsächlich
irritierte jedoch die Infragestellung eingefahrener ästhetischer
Vorstellungen. Schon 1965 verkündete er mit seinem engsten Freund, dem
1983 noch früher als allzu früh verstorbenen Gunter Falk, das "1. Manifest
der HAPPY Art & Attitude", ein "unernstes" Programm zur "Happisierung"
der Wirklichkeit, das gegen die Unterdrückung des Lustprinzips und für ein
herrschaftsfreies Leben im Sinne Herbert Marcuses, ja für eine romantische
Poetisierung der "unhamlich schiach" empfundenen "Wölt" ("Magic
Afternoon") plädiert. Beim frühen Bauer der Einakter und Mikrodramen - bis zu
"Party for six" (1967), einem Art Metavolksstück mit antivoyeuristischem
Programm, das statt der berühmten vierten Wand im Theater gewissermaßen
die "falsche" Wand einreißt - lässt sich eine "experimentelle" Haltung in
dem Sinn beobachten, dass vorgefundene Bedingungen und Verfahrensweisen
des Theaters spielerisch und doch planmäßig methodisch "überprüft" werden.
Die Reflexion auf das Theater setzt sich jedoch auch fort
in den Erfolgsstücken. Deren Provokation liegt darin, dass Bauers
Dramaturgie der Perspektivelosigkeit entspricht, der sich die
dargestellten Figuren in ihrer Existenz ausgesetzt fühlen, und dass das
Publikum damit ungeschützt konfrontiert wird. Diese Stücke lassen die
gewohnte Rezeptionssteuerung und Orientierung vermissen. Darin absolutes
Negativ der klassischen Tragödie, kennen sie kein Sinnzentrum, keinen
verbindlichen Wert, keine Moral. Das Dasein erscheint absurd. Die
Verweigerung jeglicher Festlegung der Gestalten, ihr Sich-Abschließen von
der Außenwelt, erweisen sich als tödliche Ausweglosigkeit. Die Finali
können folgerichtig auch nicht die Harmonie einer Ordnung
wiederherstellen, eben weil es keine Ordnung gibt, die gestört wäre,
sondern nur eine "Unordnung", die "nicht genial, nicht angenehm, sondern
nervös" ("Magic Afternoon") ist. Von den "Magnetküssen" (1975) bis zu den letzten Dramen
schlägt der "Provokateur" einen anderen Weg ein. Er stellt das
Funktionieren des raum-zeitlichen Koordinatensystems, mit dem man die
Realität in den Griff zu bekommen meint, total in Frage. Als
"Doppelbewegungssurfer" ("Das Lächeln des Brian dePalma", 1988) verfehlen
seine Figuren jeden Punkt, der Sicherheit bieten könnte über die
Wirklichkeit. Das paradoxe Bild vom Doppelbewegungssurfen erfasst sehr
treffend den Bewusstseinsschwindel, der aus der Unsicherheit der
Wahrnehmung von Raum und Zeit resultiert. Bauers Gestalten wissen nicht,
ob sie sich in der Wirklichkeit bewegen oder in einer Traumwelt oder
versetzt sind in eine mythische Welt, oder fiktive Welt (etwa des Films).
Das Publikum soll, dem unvermittelt ausgesetzt und wieder orientierungslos
gelassen, vom selben Schwindel erfasst werden. Die Irritationen können
nicht aufgelöst werden, da sich die Ebenen in einer Endlosschleife
verwirren. Wie eine Endlosschleife der Irritation erscheint Bauers
dramatisches Werk seit den "Magnetküssen". Das Doppelbewegungssurfen
findet keinen Halt. Wolfgang Bauer ist tot. Seine Werke werden weiterhin
irritieren und durch ihr Abbild einer Tiefenstruktur unserer verwirrenden
Realität faszinieren, die fast 40 Stücke nicht nur, die gerade dieser Tage
etablierte und junge Theater für sich (wieder)entdeckt zu haben scheinen,
sondern auch sein viel zu wenig beachteter "Roman in Briefen", "Der
Fieberkopf" (1967), sowie seine Gedichte, deren "konzentrierte Energie"
der langjährige Dichterfreund Alfred Kolleritsch bewundert. Ich bin
sicher: Die poetische Energie des Wolfi Bauer wird weiterleben. Kurt Bartsch, Professor für neuere deutsche Literatur in
Graz, Schwerpunkt: österreichische Literatur des 20. Jahrhunderts.
Mithrsg. der Reihe DOSSIER bei Droschl. Bauers Tod wurde Freitagnacht bekannt. Eine Teilauflage
der Presse enthielt am Samstag einen Nachruf: www.diepresse.at.
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