Fisch ohne Fahrradklingel
Von Claudia Aigner
Der kleine Unterschied: Die einen sind dauernd auf die andern
neidig, weil sie, also die Neidigen, wie jene bedauerlichen Fische sind,
die keine Klingel an ihrem Fahrrad haben. Das nennt man
Fahrradklingelneid. (Der Onkel Freud hat freilich anders dazu gesagt.
Irgendetwas mit P.) Die andern müssen sich ihrer Klingel dauernd
vergewissern, auch am stillen Örtchen, und klingeln sogar im Stehen. Und
klingeln dabei alles an - wenn sie danebenklingeln. (Sehr frei nach der
feministischen Grunderkenntnis, eine Frau ohne Mann sei wie ein Fisch ohne
Fahrrad.) "wo steht der baum der uns trennte" (also der Baum der
Erkenntnis) heißt die Schau im Offspace (Gärtnergasse 1, bis 15. März),
die sich des binären Systems namens Menschheit auf krass humorige und
bitterernst biologische Weise annimmt. Hormoneller Zimmerservice im Hotel
Imperial: Ursula Mayer, die in ihren schon bedenklich zwischenmenschlichen
Fotos eine Edelprostituierte mimt, lebt aber etwa mit dem Polster keine
harmlose Frau-Holle-Fantasie aus, bei der lustig die Federn fliegen. Sie
bringt ihrem Fünf-Sterne-Freier im Imperial eher "Apnoe-Tauchen unterm
Kopfpolster" bei. Die uralte Geschichte: Frustrierte Emanze rächt sich
Mann für Mann. Bis sie halt irgendwann das ganze Patriarchat durchhaben
wird. Falsch. Es ist vielschichtiger. Die Texte dazwischen lassen u. a.
Einsamkeit und Sehnsüchte durchklingen. Mayer mischt geschickt und saftig
Pornografie, Feminismus und Mitgefühl (das hat sie aber nicht nur mit dem
"klingellosen" Teil der Menschheit). Der Mann - ein Jäger. Kamen
Stojanov hat aus gefundenem Filmmaterial ein köstliches Filmchen
gebastelt. Quasi zur Lage der Männlichkeit. Bulgaren in Tarnkleidung
kurven verbissen mit ihrem Auto herum, lesen Fährten im Schnee, pirschen
mit ihren Gewehren und ratlosen Hunden durch den Wald. Enervierend
frustrierend. Der Bildschirm wird plötzlich dunkel, dann fällt ein
imposanter, geradezu potenter Schuss, das Licht geht an - und die Jäger
schleppen ein "verrecktes" Auto ab. Ihre Jagdtrophäe (oder
Ersatzbefriedigung). Und wenn die Mädeln von Halt + Boring vor
überwältigender Bergkulisse ihren Mann stehen, indem sie sich ein
standhaftes "Y-Chromosom" aus dem Sexshop an die Stelle ihrer Neidgefühle
halten (das muss das Modell "K.o.-Bob" sein), dann ist das schon
entmannend komisch. Schlaglöcher fürs Auge: Der Schweizer Max Bühlmann
hat vermutlich kein Schweizer-Käse-Trauma. Und dass er seine Bilder (auf
Holz) so demonstrativ durchlöchert, ist wohl auch kein Ausdruck von
"Vagina-Neid". Noch dazu wird er ja ohnedies zunächst für Bar- bara Höller
gehalten. Für ihre neue, kraftvoll malerische Phase. ("Die Höller ist
jetzt aber emotional . . .") Bis 22. März stellen die beiden beim Wolfrum
(Augustinerstraße 10) aus. Eigentlich reizvoll, wenn der Blick immer
wieder in Bühlmanns schwarze Löcher plumpst wie ein Golfball, während sich
bei der Höller die Malerei im Loch abspielt und nicht drumherum. (Gezielte
Malerei also.) Höllers Technik, mit dem Drillbohrer energisch Löcher ins
Holz zu machen und dann etwas hineinzuträufeln, hat natürlich irgendwie
schon ihre biologische Parallele. Garten der Befriedigten: Anna Stangl
hat ihren raffiniert naiven Stil und ihr "liebliches Matriarchat" ja auch
erst finden müssen. Sie hat (wie bis 21. März beim Lang, Seilerstätte 16,
zu sehen) den expressiven, gequälten Strich und Leib langsam hinter sich
gelassen, und jetzt werden flüssig dahingezeichnete Damen meist von
anmutigen Jünglingen liebevoll betreut wie Lutscher. Auch technisch
delikat, die Blätter.
Erschienen am: 07.03.2003 |
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