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Kunsthalle Wien im MuseumsQuartier: Eröffnungsschau "Eine barocke Party" bis 16. September zu sehen

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Verbindung von Barock und Gegenwart in Theorie und Praxis

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Debattieren Sie mit!Zur Eröffnung des MuseumsQuartiers wurde hauptsächlich von der Architektur der Brüder Ortner gesprochen; das ist gerecht, denn es war nicht leicht, die Endlosgeschichte der Entstehung dieses 60.000 m² großen Areals seit dem gewonnenen Wettbewerb 1990 durchzustehen. Wechselnde Regierungen, Personen von der Errichtungsgesellschaft bis zur Spitze des Denkmalamts waren Faktoren einer Fastverhinderung. Sind wir also in Wien unbemerkt in andere Zeiten gegangen? Die nach abgeschlossenen Streitigkeiten relativ kurze Bauzeit wurde wie ein Wunder präsentiert. Eine Zusammenarbeit mit dem Architekten Manfred Wehdorn, der für die heikle und viel diskutierte Altbaurenovierung der von Fischer von Erlach erhaltenen Substanz der Hofstallungen und später dazugekommener Bauten wie der Reithalle aus dem 19. Jahrhundert zuständig war, wurde bei der Presseeröffnung als problemlos dargestellt, das ist schon die nächste Ausnahme in Wien und sollte optimistisch stimmen.

Herbes und Süßholzgeraspel

Die internationale Kritik war dann gemischt - von positiven Eindrücken der einzelnen Bauten und der als mutig bezeichneten Kombination von Alt und Neu bis zum Vorwurf des wilden Kunstmix war allerhand Herbes wie Süßholzgeraspel über die Multifunktionalität der ganzen Anlage zu lesen. Dabei ist auch an die Fertigstellung des Mahnmals für die ermordeten jüdischen Bürger Wiens zu denken: Damals kam seitens der internationalen Presse statt eines Qualitäts- ein Quantitätsvergleich (an Quadratmetern) mit dem noch nicht fertig gestellten Berliner Pendant zur Sprache. Wesentlicher Faktoren wie die gelungene Platzgestaltung sind emotionalen Primitiv-Mustern von größer gleich besser geopfert worden. Die Lösung, die Rachel Whitread am Judenplatz zwischen Skulptur und Architektur gefunden hat, ist als sehr geglückt zu bezeichnen. Kompromisse gab es auch hier und wahrscheinlich sind diese nicht nur für Wien typisch.
Der Unterschied im MuseumsQuartier sind die dem größeren Bauvorhaben entsprechenden Kompromisse; der zu Fall gekommene Leseturm ist nur einer, die stehen gelassene Reithalle ein anderer. Dass die Brüder Ortner ihrem Projekt trotzdem treu blieben, beantwortet sich nicht nur durch die enormen Investitionen materieller und geistiger Natur, die sie bis zum Stadium der geforderten Umplanung bereits getätigt hatten, sondern auch durch das Prestige des Projekts. Es mag ein subjektiver Standpunkt sein, aber die Verbindung mit der vorhandenen Substanz eines hervorragenden Architekten aus dem 18. Jahrhundert und eines mittelprächtigen im 19. Jahrhundert ist spannend: Die Stärke des MuseumsQuartiers liegt in der Schnittstelle zwischen Neu und Alt - im Foyer der Kunsthalle und den Hallen E und G. Auch die Brücke in den 7. Bezirk ist bis ins Detail des Geländers eine schöne Lösung. Die Schwäche liegt nicht im "gefallenen" Leseturm, aber in den innen zuweilen verplant wirkenden Museumsbauten. Atmet die Architektur in ihrer Lichtregie und Aufteilung im Museum Leopold mehr Großzügigkeit (hat aber außen unnötigen klassizistisch-minimalistischen Dekor), wirkt der dunkle Basaltsteinblock des modernen Museums innen völlig verschachtelt - ein einziger großer Raum im letzten Geschoss, dafür aber ein enormer Aufwand für den Raumkeil mit verglastem Lift, kann - abgesehen von den fehlenden Depots am Areal - auch dem neuen Direktor, Edelbert Köb, ebenso wenig Freude bereiten wie das Logo "Mumok SLW". Es scheint vernünftig, eine Abkürzung, die einer Molkerei ähnlicher klingt, fallen zu lassen. Dass die beiden Museen erst im Herbst ihre Sammlungen öffnen und auch sonst wenig beitrugen, war unverständlich, hatten doch die kleinen Institutionen weit mehr geleistet (Architekturzentrum, basis usw.).
Blieb und bleibt bis 16. September die Kunsthalle mit der Eröffnungsschau "Eine barocke Party". Sie integriert die Reaktion auf den Einzug ins neue Areal. Der historischen Dimension einer Einbettung der Gegenwartskunst in diese barocke und im Fall der Reithalle neubarocke Substanz, wurde mit tiefgehenden Überlegungen Rechnung getragen. Die Kuratoren Sabine Folie und Michael Glasmeier schlossen an zwei Traditionen der Kunsthalle an: Da ist zum einen die Korrespondenz des ehemaligen Containers am Karlsplatz mit Fischer von Erlachs Karlskirche - man trifft auf einen "alten Bekannten", ließ sich diesen aber durch Experten aus der Kunstgeschichte näher erläutern. Die Schau schließt außerdem an die Tradition der "Anverwandlungen von Vergangenheit" mit Ausstellungen wie "Glaube, Liebe, Hoffnung, Tod" an, indem sie schon im Untertitel verrät, worum es eigentlich geht: "Augenblicke des Welttheaters in der zeitgenössischen Kunst". Dabei sind Künstlerinnen und Künstler international ausgewählt, um die Sicht auf die "Wahlverwandtschaft" nicht einzuschränken. Die Ebenen der Wiederkehr des Barocken in der Gegenwart sind aber nicht durch bloße Kopie erkennbar - auf den ersten Blick ist die Nähe nicht immer augenfällig. Sie scheint vordergründig bei den an die Wand gekleisterten farbpastigen Altären Friederike Feldmanns da zu sein, aber deren Arbeitsweise zielt darauf ab, gerade die Klischeebilder von Barock sichtbar zu machen und zum Nachdenken anzuregen. Damit ist der Denkraum zum Barock eröffnet: Ein lebendiges Laboratorium voll von Humor (wie ihn Panofsky schon 1934 konstatierte), von Freude an Experiment und Improvisation, Konzentration auf das Körperliche und nicht die später aus dem bürgerlichen Puritanismus geborene Innerlichkeit. Die Psychologisierung liegt mit Melancholie und Vanitas in der Barockzeit hart neben wissenschaftlichen und religiösen Aspekten, die Spannweite zwischen Ekstase und Askese ist hier andiskutiert. Wie im Manierismus, der in den fünfziger bis zu den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wiederentdeckt wurde, herrscht Vielstimmigkeit.

Rehabilitierung des Barock

Mit Feldmanns Altären ist auch die der Wachsbildnerei des Barock ähnliche Materialgestaltung von Kreuzwegen, Reliquiaren und anatomischen Figuren angesprochen; wie die Wunderkammer als Kunst- und Wissenschaftslabor ein Bindeglied zu einer anderen Wiener Tradition, die im Fach Kunstgeschichte liegt. Die Kunsthistoriker Alois Riegl, Julius von Schlosser und Max Dvorák waren nach Gurlitt und Wölfflin federführend in der Rehabilitierung des Barock, sie trennten ihn von der Norm "Verfallskunst" und diskutierten seine Vielschichtigkeit im Oszillieren zu Tonkunst und Dichtung. Zum Verständnis wurde im Katalog der Aufsatz Schlossers "Alois Riegl, Wien und das Barock" von 1934 neu abgedruckt. Daneben zog man für den historischen Part der Schau (auf der Empore) Experten wie Christian Benedik, Andreas Kreul, für die Begriffsfragen auch Svetlana Alpers, für den Reliquienkult und die Wichtigkeit des Körpers in der Gegenreformation Johannes Zahlten und für die Automaten- und Maschinenbegeisterung neben Brigitte Felderer den bekannten Kunsthistoriker Horst Bredekamp heran. Da sind Rezeptionen und Reaktionen auf den Ort, wie man sie eigentlich vom modernen Museum erwartet hätte, die aber von der Kunsthalle übernommen wurden. Am Ende der großen Halle ist an einem Tisch das nötige Angebot an Spezialliteratur zu finden - wer nicht weiß, dass die Hofstallungen Fischer von Erlachs auf eine Korrespondenz mit dem Idealplan der Domus Aurea (Haus des Nero) in Rom anspielen und die barocken Feste und ephemeren Architekturen unserer Event-Kultur-Sucht nahe sind, kann sich dort daüber informieren. Leider haben die Verantwortlichen dem Direktor Gerald Matt die vorgesehene Barockparty im Hof verboten. Sie wäre sicher passender gewesen als das Gebotene.
Der Künstler, der die Automaten- und Maschinenbegeisterung des Barock in der Gegenwart thematisiert, ist Wim Delvoye mit seiner "Cloaca" von 2000 oder der "Mischmaschine" in Wegwooddesign von 1992. Hier wird das maschinell gezeigt, was unter Ludwig XIV. die "niederländische Reise" hieß: der Stuhlgang - in einem glasklaren Prozess in einer Reihe mit Magneten, Trichtern, Mixern und Bioreaktoren entsteht "naturidentisch" Scheiße (ohne große Geruchsbelastung). Was Delvoye "sein" Descartes, ist Ulrike Grossarth "ihr" Leibnitz. Die berühmte Monadologie wird von ihr als prästabilisierte Harmonie in die Installation von Erklärungsmodellen umgesetzt.
Dominant im Raum sind nicht nur die schwebenden Architekturen von Alfred Berger und Tiina Parkkinen, die Kreuzarme und Ovalbau der Barockarchitektur zitiert, sondern auch die Totenschädel von Dinos und Jake Chapman. Im Gegensatz zu ihren sonstigen Kriegstheatern an der Grenze der erträglichen Grausamkeit (in Installation umgewandelte "Desastres" Goyas usw.) sind die vergrößerten, beschrifteten und drapierten Objekte der Meditation von Heiligen wie Magdalena und Hieronymus eigentlich fast "vergnüglicher Ekel im Theater des Abscheulichen" und doch ist ihre Vanitasallegorie wesentlich.
Der aus der Schule Cunninghams und Cages kommenden minimalistischen (Tanz-) Künstlerin Yvonne Rainer und ihrem Video "Trio A" und einer Installation "Inner
Appearances" widmet Kuratorin Folie im Katalog einen langen Vergleich mit Aby Warburgs wichtigem Mnemosyne-Atlas in Bezug auf die Pathosformeln ihres "denkenden Körpers" und "sinnlichen Denkens". Sam Taylor-Wood hinterfragt in fries- und panoramatischen Fotosequenzen, die mit einer Spezialkamera angefertigt sind, immer wieder die eigene Existenz und lässt den Blick durch Verzerrung barocke Anamaorphosen des Virtuellen - in traumartiger Wirkung - herstellen.

Ein Mann Gegenreformation

Bleibt zuletzt der früh an Aids verstorbene Paul Thek, der sich in der Kapuzinergruft von Palermo mit den Mumien der Mönche porträtieren ließ. Seine technologischen Fleischstück-Reliquien, in Glasstelen oder Vitrinen gepackte Imitationen, lassen wieder an das Theatrum sacrum der barocken Frömmigkeit denken, an Vanitasallegorien natürlich, aber diesemal herrscht eine dichtere Finsternis vor wie in den Geschichten Edgar Allen Poes - auch in seiner malerischen Darstellung des blauen Planenten Erde "Earth Mandala" ist diese von Allnacht eingeschlossen. Seine katholische Ergriffenheit vom Körperkult ist nicht nur durch seine Homosexualität begründet, er richtete sich in einer "Ein Mann Gegenreformation" gegen den Minimalismus, verpackte selbst in Warhols Brillo-Kartons Fleisch, um seinen Antirationalismus zu unterstreichen. Seine Arbeitsweise war das alchemistische Kombinieren von Marterstühlen und ausgestopften Raben, vom Vanitassymbol par excellence, der Feder, und dem Kreuz - ein Mystiker in der Nachfolge des Bauernkriegers und Luther-Gegners Jakob Böhme.
Das Begleitprogramm zur Ausstellung ist auf dem gleichen Niveau - Philosophen, Dichter, Musiker sind beteiligt. Bleibt die Hoffnung, dass der ausgezeichnete Katalog nicht den ephemeren Strukturen unterliegt. Als eine Glanzleistung könnte diese Party aber für Besucherinnen und Besucher zur Arte memoria aufsteigen.

Erschienen am: 14.08.2001


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