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Feridun Zaimoglu: Die Rache des Zeloten

11. Mai 2011, 22:38
  • Artikelbild: Künstler-Votum für Gerald Matt: Feridun Zaimoglu. - Foto: STANDARD / Newald

    Künstler-Votum für Gerald Matt: Feridun Zaimoglu.


Nach dem Protestbrief des Alt-Grünen Dieter Schrage zu Wolfgang Zinggls "Kopf ab"-Politik meldet sich nun auch die Kunst zu Wort

Eine Polemik gegen das "kleingeistige Eifertum von Kulturbürokraten".  

In der schönen Stadt Wien war ich oft zu Gast. Man lud mich ein, aus meinen Büchern zu lesen. Die Menschen schien es zu belustigen, dass ich aus Deutschland bin. Ich schrieb einen Roman und machte die Stadt zum Schauplatz von Liebesgefechten. Im Jahre 2005 holte mich Gerald Matt nach Wien. Die Fassade der Kunsthalle wurde mit türkischen Fahnen behängt; die Kunstaktion "Die 3. Türkenbelagerung" sorgte in Österreich und in Deutschland für Furore. Ich war recht überrascht: Der Direktor verstand ein Museum nicht als Schanzburg für einsame Kenner. Das Volk lief in Scharen herbei. Menschen aus der kunstfernen Schicht kamen und staunten. Schon damals griff man ihn persönlich an - er sollte doch bitteschön auf den großen Auftritt verzichten. Man legte ihm eine herkömmliche Leibbekleidung nahe. Wirft man einem Beamten im gestreiften kurzärmeligen Hemd vor, das Textil wäre unvereinbar mit der Würde des Amts?

Nun erreicht mich die Nachricht, der Kultursprecher der Grünen, ein mir bis dahin unbekannter Herr Wolfgang Zinggl, habe den Herrn Matt angezeigt. Die Vorwürfe: Verdacht auf Untreue, Intervention zur Verleihung der Staatsangehörigkeit an Dritte.

Der Direktor hat sich von der zuständigen Behörde über die Gesetzeslage aufklären lassen. Man sagte ihm, es gäbe keine rechtliche Handhabe, Kunstsponsoren den österreichischen Pass zu geben. Wie alle, die wachen Geistes und guten Willens sind, hat Herr Matt sich vielleicht privat über diese Ungerechtigkeit ausgelassen. Er unternahm aber in dieser Sache doch wohl keine weiteren Schritte. Nun stelle man sich folgendes vor: Ich bin ein Tourist und das erste Mal in Wien. Ich erkundige mich nach Fahrscheinen für den öffentlichen Nahverkehr. Plötzlich werde ich von Bahnbediensteten niedergeschlagen und in Handschellen abgeführt. Denn für die ist es erwiesen, dass mich allein die Frage als Schwarzfahrer ausweist.

Kunstferne wird den betreffenden Sponsoren unterstellt. Sie gaukelten Kunstinteresse vor, heißt es, im Grunde wären sie von niederen Trieben angefeuert. Frage: Warum haben die Damen und Herren nicht in Sport investiert? International gilt Sportförderung als das große Ding, Millionäre kaufen Fußballclubs auf. Hält man in diesem Falle die Mäzene für besonders dämliche Mamelucken, die keine Zeitung lesen?

Was will also der Herr Zinggl? Hat man es mit einem erfolglosen Künstler zu tun? Tritt ein Unverstandener einen Neid- und Rachefeldzug gegen jene an, die seine Kunst für zu leicht befanden? Kleine Leutlein sind bald inharmonisch, sie wehren sich mit großem Maul. Es gibt auch bei uns in Deutschland ähnliche Fälle zuhauf. Manch ein Jakobiner mit Verdiensten wird, da man ihn auf einen politischen Posten setzt, Machtentfaltung kaum scheuen. Der Rächer verfängt sich in Wahngebilden: Er sieht ringsherum nur Lust und Verlangen, darüber ist er erbost. Der Kulturbürokrat greift zur Mistforke, er will die Schurken jagen und erlegen. In der Rolle des Zeloten geht er auf. Kein Tag soll vergehen ohne Rums und Paukenschlag, das hat er geschworen. Ein paar versprengte Kleinbürger beklatschen den Kleingeist; der Kleingeist weist auf diese Bekundungen und macht weis, er vollstrecke Volkes Willen. Trimmen, stutzen, schneiden mag er am liebsten.

Frage: Ist diesen Eiferern beizukommen, und wenn ja, wie? Es darf den Verleumdeten nicht bekümmern, dass er angespien wird - das ist leichter gesagt als getan. Der sich als Mann der Massen gerierende Bürokrat kann aber vom Eifertum nicht lassen. Man muss ihm bedeuten, dass er nicht Künstler noch Kunstsinniger sei. Für diese Sorte Mensch sind harte Fakten nur die Tünche der Lüge. - Ob in Österreich oder in Deutschland: Wenn der Unschuldsbeweis erbracht wird, geht für den üblen Nachredner das Licht aus. Er steht im Dunkeln. Wenn das grüne Kulturpolitik ist, dann aber gute Nacht. (Feridun Zaimoglu / DER STANDARD, Printausgabe, 12.5.2011)

Feridun Zaimoglu, deutsch-türkischer Schriftsteller und bildender
Künstler, lebt in Berlin und München

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Kommentar posten
11 Postings
12.05.2011 09:35
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Ja die kunstszene

demokratisch bis in die zecherln.

Wenn jemand unmdemokratische gesellschaftliche rahmenbedingungen aufzeigt, wird er sofort als störfaktor, neider und untalentiert "entlarft".

Wer schon erfolg hat, den stören solche "vorteilsnahmen" nicht besonders. Alle anderen haben guten grund, Wolfgang Zinggl bei seinen bemühungen zu unterstützen.

Ich sage leck zu Google
12.05.2011 08:58
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bin schon gespannt auf die nächste zaimoglu-ausstellung in der kunsthalle!

12.05.2011 08:48
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Wenn man glaubt, einen Standpunkt nur durchbringen zu können, in dem man persönlich wird und versucht, das Gegenüber lächerlich zu machen, sollte man es lassen.

Niveaulos, billig und auf jeden Fall am Thema vorbei.

12.05.2011 08:46
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Ich kenne aus den Weken Herrn Zaimoglus nur die erwähnte 3. Türkenbalagerung.

Hat mir sehr gut gefallen, das Projekt! Letztendlich ist es aber, wie so viele Kunstprojekt im öffentlichen Raum, die Umsetzung einer Idee, die einer Werbeagentur entsprungen sein könnte. Die "Große" Kunst, ist es nicht (und man könnte jetzt lange den "großen" Kunstbegriff diskutieren.)

Die herablassende, beleidigende Argumentation Zaimoglus, könnte ebnso einem "Postingstreit" von beleidigten Werbern auf Standard-Etat entspringen. Feinsinnig, brillant, überraschend, überzeugend - eben künstlerisch wertvoll, ist seine Tirade nicht.

Fazit: Zingl ist ein erfolgreicher Oppositionspolitiker im Kunst-und Kulturbereich, der weiß wovon er spricht. Zaimoglu ein Kreativer, der sich, auf Grund seiner guten Kontakte im Kunstbereich bewegt.

Fritz Wunderlich
12.05.2011 08:39
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"ein mir bis dahin unbekannter Herr Wolfgang Zinggl,"
tja, warum der standard den deutschen eingeladen, zu österreich etwas zu äußern, wenn er sich hier nicht auskennt, sondern nur seine sponsoren liebt?
weil er zur linie des standards passt
der multikulturell legitimierte wirtschaftsliberalismus, der sich als die adäquate ideologie der globalisierung begreift
da stört es nicht, dass der schamtuchideologe das sexuell repressive symbol des kopftuches verteidigt und emanzipierte mosleminnen attackiert, sich aber noch nie gegen die zwangsverschleierung und dern opfer eingesetzt hat

Fritz Wunderlich
12.05.2011 09:57

corr.
und für deren

Ich sage leck zu Google
12.05.2011 07:50
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"kleine leutlein": was ist denn das für ein penetrant herablassender ton?? es spricht der "große" herr zaimoglu zu uns?

12.05.2011 00:16
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Dazu in der heutigen Presse: "Zinggl gründete, als er noch selbst Künstler war, Anfang der 90er, das international gelobte Künstlerkollektiv „WochenKlausur“, das soziale Projekte in den Mittelpunkt stellte. Inzwischen ist sein Engagement zwar auf den Urlaub reduziert, aber Kunst ist für ihn noch immer vor allem eine gesellschaftspolitische Frage." // "Insofern gehen Zinggls Vorbehalte gegen Noever und Matt übers Juristische hinaus. Dass Noever einst „ganz in Weiß und mit Limousine“ zur Viennale vorfuhr, regt Zinggl auf."

Und deshalb muss Zinggl sich jetzt vom selbstverliebten Fähnlein farbenfroh aus der Türkei beschimpfen lassen? Einfach nur grotesk!

11.05.2011 23:05
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billig und peinlich

schließ mich diesem poster hier an:
http://derstandard.at/plink/130... id21007101

11.05.2011 22:54
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Guter Kommentar mit angebracht sarkastischem Unterton. Vielleicht könnte Hr. Z von seiner Partei ja etwas eingebremst werden, zumal eigentlich niemand weiß, wem es nutzen soll...

Die Aufklärung
 
11.05.2011 20:57
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Ja!

Frage des Autors zum Zinggerl:
"Was will also der Her Zinggl? Hat man es mit einem erfolglosen Künstler zu tun? Tritt ein Unverstandener einen Neid- und Rachefeldzug gegen jene an, die seine Kunst für zu leicht befanden?"

Die Antwort ist JA

Herr Zinggerl war am besten als Kulissenmaler, sonst war da nichts, beim Kunstakademieabgänger.

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