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09. Jänner 2007
13:17 MEZ
Foto: APA/ HELMUT FOHRINGER
Viennale-Direktor Hans Hurch

Hurch wünscht sich "Wiedergutmachungsministerium"
Viennale-Leiter: "Gewisses Aufatmen durch einen Teil des Landes gegangen" - Flos: "Sehr, sehr, sehr gemischte Gefühle"

Wien - Mit einer "gewissen Genugtuung, dass die bestehende Regierung abgewählt worden ist", hat Viennale-Leiter Hans Hurch die Nationalratswahl 2006 mitverfolgt. "Genugtuung deshalb, weil das eine Politik war, die - aus kultureller Sicht - unkultiviert war gegenüber den Leuten und dem Land", so Hurch gegenüber der APA. Er hatte eine "allgemeine Verrohung der Sitten und des politischen Klimas" gespürt. "Jetzt kann man nur hoffen, dass es besser wird."

Dass das aber nicht automatisch geht, ist für Hurch auch klar. "Das Vertrauen muss auch erst gerechtfertigt werden." Die Kultur künftig in SPÖ-Händen würde er begrüßen, dennoch sei dann "aber vieles zu tun". Das Kulturministerium müsse ein "Wiedergutmachungsministerium im weitesten Sinne" werden - nicht nur in Bezug auf Restitutionen, sondern auch in Bezug auf das, was sonst in den vergangenen Jahren falsch gemacht worden sei. Es habe etwa zur Zeit von Staatssekretär Franz Morak (V) überhaupt keinen Dialog mit den Künstlern, Kulturschaffenden und Institutionen gegeben.

Hurch hofft daher nun auf ein "Ministerium mit offenen Türen", dessen Leitung "eine Figur mit einer gewissen Ausstrahlung und Credibility" sein müsse. Alles in allem sei er froh, dass die Zeit der ÖVP-geführten Regierung vorbei sei. Nun werde sich zeigen, wie wichtig die Kultur sei. "Aber ich glaube schon, dass gestern ein gewisses Aufatmen durch einen Teil des Landes gegangen ist." FPÖ und BZÖ seien zwar immer noch "zu gut weggekommen, aber nun wenigstens nicht mehr in politischen Funktionen".

Flos: "Sehr, sehr, sehr gemischte Gefühle"

"Sehr, sehr, sehr gemischte Gefühle" hat hingegen Diagonale-Leiterin Birgit Flos, wenn sie an den gestrigen "sehr anstrengenden" Wahlabend denkt. "Ich finde das so furchtbar, dass 15 Prozent der Wähler sich für diese rechte Hetze entschieden haben", meinte Flos gegenüber der APA. "Und ich hoffe so sehr, dass das BZÖ noch rausfliegt." Auffallend war für sie, dass "Kultur bei allen Parteien im Vorfeld der Wahl keine Rolle gespielt hat".

Gerade auch in einer SPÖ-geführten Regierung würde sie sich klare Aussagen zur Kulturpolitik wünschen. "Das war schon sehr mager", so Flos. Bei Wünschen an die Kulturpolitik gibt sie sich zögerlich: "Man darf jetzt nicht in die Falle tappen, dass es immer nur um mehr Geld geht." Natürlich bräuchten relevante Initiativen auch mehr Geld - "aber das ist keine Vision". Als Vision sieht sie die Verbesserung beim Umgang mit den Künstlern. Sie wünscht sich ein "waches Ohr und Auge, was Erfahrungszuwachs und Möglichkeiten gesellschaftlicher Auseinandersetzungen betrifft".

Dollhofer glaubt "nicht, dass sich viel ändern wird"

Als "überraschend" hat Crossing Europe-Leiterin Christine Dollhofer die Ergebnisse der Nationalratswahl empfunden. Dass die FPÖ stark bleibe, habe sie sich zwar gedacht, diese sei immer stärker als in den Meinungsumfragen. "Dass aber die ÖVP so viel verliert, damit hab ich nicht gerechnet." Sie wünschte sich in punkto Kulturpolitik ein eigenes Kulturministerium. Die Leiterin des Linzer Filmfestivals verlangte im Gespräch mit der APA naturgemäß, dass "regionale und nicht in Wien angesiedelte Kulturinitiativen künftig stärker unterstützt werden". Insgesamt sei die Lage jetzt aber schwierig einzuschätzen, da ja nicht viele Optionen möglich seien, so Dollhofer. Sie befürchtet im Falle einer großen Koalition einen Rückfall auf den "Stand vor zehn Jahren", auf eine "unbewegliche Kompromisspolitik". Ihr Fazit: "Ich glaube nicht, dass sich viel ändern wird."

Widrich: Konzeptlosigkeit in Sachen Kulturpolitik

Virgil Widrich, preisgekrönter Kurzfilmregisseur, diagnostizierte eine weit reichende Konzeptlosigkeit in Sachen Kulturpolitik. Er müsse sich schon wundern, dass keine einzige Partei ein entsprechendes Programm aufweisen könne, "und das in einer so genannten Kulturnation". Von einer SPÖ-geführten Regierung wünscht sich der Obmann des Verbandes der Filmregisseure Österreichs neben steuerlichen Anreizen für Privatinvestments "eine generelle Aufwertung der Kunst, die sich auch in der budgetären Situation niederschlägt." Seit der Wende 2000 seien viele Projekte einfach ausgehungert worden, etwa "Kürzungen bei Theater, Film, Diagonale etc."

Allzu viel erwartet sich Widrich aber auch von einer sozialdemokratisch geführten Koalition nicht. Dort liege es jedoch nicht an den "ideologischen Scheuklappen" wie bei der ÖVP, sondern an der personellen Situation. "Das muss jemand machen, der kompetent ist, der das kann, und der die nötigen Mittel bekommt. Aber wer bitte soll das bei der SPÖ sein?" (APA)


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