03.03.2003 19:36
Naturtrüb und sortenrein
"Die
Dinge schöner zeigen, als sie sind - oder hässlicher": Die Secession zeigt
Manfred Willmanns Zyklus "Das Land"
Die Wiener Secession zeigt in der Galerie Manfred
Willmanns Zyklus "Das Land". Über zwölf Jahre hinweg hat der Grazer Fotograf und
Herausgeber des Fotomagazins "Camera Austria" aus dem Umfeld zweier Häuser ein
ganz allgemeines und zeitloses Bild vom Landleben destilliert.
Wien - Manfred Willmann hat von 1981 bis 1993 Das Land fotografiert.
Genauer: Er hat Fotos in der Umgebung der Häuser Pongratzen 26 (Kleinwuggnitz)
und Pongratzen 14 (Großlieschen) in der südlichen Weststeiermark aufgenommen.
Die Serie von 135 Farbbildern zeigt keine einzige repräsentative Aufnahme von
Kleinwuggnitz. Die unbeschnitten vom Aufnahmeformat 6 x 6 cm auf 70 x 70 cm
vergrößerten, völlig unbearbeiteten Abzüge lassen auch das Spezielle an
Großlieschen außen vor. Das Land zeigt sich im Detail. Manfred Willmann hat
isoliert, was (ihm) in Summe das Land ausmacht - überall, nicht bloß in der
südlichen Weststeiermark.
Am Land kommen die Tiere in allen Zuständen
vor: lebendig oder zerlegt, frisch geschlachtet, eingesurt oder gut
durchgekocht. Am Land wird Teig verarbeitet, werden Äpfel gegessen, wird Heu
gemacht, werden verschiedenste Würste gebraten. Am Land ist manche Mauer noch
unverputzt. Am Land parkt man den VW-Käfer in der Wiese und trägt blitzblauen
Lidschatten zum Dorffest. Dort wird Bier getrunken und geraucht, dort gehen
Gläser zu Bruch.
Am Land röhren die Hirschen von Gobelin-Bildern, und
meist sind bloß die Kinder fröhlich. Sitzt man am Land um einen Tisch
versammelt, dann entweder um trinkend Karten zu spielen oder um Nudelsuppe vor
einem Schweinsbraten mit Erdäpfeln zu essen. Sonst sitzt man am Land wenig. Man
hat Schafe zu scheren, rückt immer wieder einmal mit der Sense aus, da warten
Fische darauf, ausgenommen zu werden, dort will eine Sau zerlegt, gleich ums Eck
ein Wald durchforstet werden. Die Bäuerinnen tragen ärmellose Hauskleider. Sind
sie noch jung, tragen sie Bikinis. Katzen fressen Schlachtabfälle. Die Küche
wärmt ein Kombiherd.
Manfred Willmann ist mit einer einzigen
Festbrennweite ausgekommen, um das Landleben einzufangen. Verändert hat er nur
das Licht: Ein Blitzgerät erhellt, was sonst im Gleichklang die spezielle
Stimmung ausmacht. Es setzt die resche Schwarte in Szene, die Pausbacken, das
wilde Achselhaar, die Katzenaugen und den Sauschädel. Und zwischen all dem immer
wieder die Landschaft. Und tut das, ohne das Landleben aus einer Differenz zur
Stadt erklären zu wollen. Es bleibt, was es ist. Willmann überhöht bloß Schönes
wie Hässliches, um Das Land anschaulich zu machen.
(DER STANDARD,
Printausgabe, 4.3.2003)