Identitäten und Stereotypen

Mit Dirndlkleidern und Gratisschnaps wird in Linz das österreichische Selbstverständnis hinterfragt.
Von Andreas Wolf.


Wenn Österreicher nicht gerade Wiener Schnitzel essen, laufen sie im Dirndl und in Lederhosen singend über Almwiesen. So oder so ähnlich lautet eines der gängigsten Klischees über die Österreicher im Ausland. Schuld daran, dass man mit Österreichern nicht Musikvirtuosen à la Mozart verbindet, ist die Trapp-Familie und der 1965 über sie gedrehte Trachten- und Jodelschinken The Sound of Music. Den meisten Österreichern ist dieser Film unbekannt. Im fernen Ausland - und hier vor allem in Amerika - hat dieser Streifen das Österreich-Image nachhaltig geprägt.

Gründungsmythen thematisiert

Die südafrikanische Künstlerin Candice Breitz hat sich als Artist in Residence im Linzer OK Centrum für Gegenwartskunst mit dem internationalen Österreichklischee auseinandergesetzt. Besonders interessiert hat sie der Aspekt des nationalen Selbstbildnisses im Vergleich zum international vorherrschenden Stereotyp.

In ihrer Karaoke-Performance "Karaoke Austria" im Rahmen der Ausstellungsergänzung "New Cuttings" dringt die Künstlerin bis zu den Gründungsmythen der Zweiten Republik vor. Glaubt man der landläufigen Mähr vom Staatsvertrag von 1955, dann ist dieser kein Ergebnis geschickter Verhandlungsdiplomatie gewesen, sondern einzig der Trinkfestigkeit der damaligen Bundesregierung zu verdanken. Die ausländische und die innerösterreichische Wahrnehmung des Landes verbindet die Künstlerin am Arena Platz vor dem OK Centrum für Gegenwartskunst.


Viele Betrunkene

Möglichst viele Menschen sollen bei einem Massen-Karaoke die Lieder von "Sound of Music" singen. Die Texte laufen auf einem Leuchtschriftband entlang der Hausmauer des OK Centrums. Den meisten Österreichern sind die Lieder, mit denen viele Ausländer typisch Österreichisches assoziieren, unbekannt. Das Österreich-Image wird den Sängern über die Karaoke-Installation übergestülpt - so wie das die Österreicher bei anderen Völkern mit anderen Images tun.

Damit die unbekannten Melodien auch richtig gesungen werden, hat man zwei Sänger engagiert. Der alkoholgeschwängerte Gründungsmythos der Zweiten Republik wird zum realen Selektionskriterium erhoben. Beim Linzer Massen-Karaoke darf daher nur singen, wer schwer betrunken ist. Damit diese "Auflage" tatsächlich sichergestellt ist, werden an die Sänger rot-weiß-rote Sticker mit der Aufschrift "Karaoke Austria" verteilt.

An die so gekennzeichneten Personen schenken Kellnerinnen in Dirndlkleidern dann Unmengen Schnaps aus. Alle anderen Besucher müssen für die Getränke bezahlen. Die gesamte Performance wird filmisch dokumentiert und ist im Rahmen der Ausstellung "Cuttings" im OK Centrum für Gegenwartskunst noch bis 15. Juli 2001 zu sehen.

Biografie verarbeitet

Für Candice Breitz ist das Spiel mit nationalen Identitäten und Stereotypen ein Teil ihrer eigenen Biografie. Die 1972 in Johannesburg geborene, weiße Künstlerin hat ihre Jugend noch während des Apartheid-Systems verbracht und kennt die Mechanismen, die zu Klischees und Ausgrenzung führen.

Sechs Minuten "Basic Instinct"

In einem zweiten Projekt hat Candice Breitz ihre Arbeit "Soliloquy Trilogy" aus dem Jahr 2000 adaptiert. Das Ausgangsmaterial sind Filme mit Clint Eastwood (Dirty Harry),
Jack Nicholson
(Die Hexen von Eastwick) und Sharon Stone (Basic Instinct).

Clint Eastwood
Clint Eastwood

Aus diesen Filmen hat Breitz jene Stellen herausgefiltert, in denen die Stars verbal vorkommen. Sharon Stones' Auftritt in "Basic Instinct" reduziert sich so zum Beispiel auf einen 6 Minuten und 11 Sekunden dauernden unzusammenhängenden Monolog. Das Filmskript ergibt nur Fünf DIN A4-Seiten in der Schriftgröße 14 Punkt.

Sharon Stone mit schwarzen Haaren

Sharon Stone
Sharon Stone
In ihrer neuen "Soliloquy Trilogy"-Serie überarbeitet Candice Breitz ihre Überarbeitungen noch einmal. Die Stars, die in der ersten Fassung in beängstigender Präsenz zu sehen waren, ersetzt die Südafrikanerin in ihren Linzer Arbeiten durch Laienschauspieler. Sharon Stones monologisierter Text wird mit leichtem österreichischen Akzent von einer etwas korpulenteren Dame mit schwarzem Pagenkopf auf einer Bierbank sitzend rezitiert.

Schauspieler ersetzt

In "Soliloqui Triloy" geht es Candice Breitz ebenfalls um das Spiel mit Stereotypen. Die Stars in Hollywood-Filmen werden immer gestylt in perfekt durchkomponierten Szenen gezeigt. So gewinnen sie in Filmen eine übermächtige Präsenz. Durch die ausschließliche Konzentration auf den Star wurde diese Präsenz in der ersten "Soliloqui Trilogy"-Serie noch verstärkt. Mit dem Ersetzen der Stars durch Laienschauspieler wird die Selbstverständlichkeit ihrer Präsenz gebrochen und die Filmsequenzen dadurch in einen anderen Kontext gestellt.

Tipp:

Candice Breitz: "New Cuttings", O.K. Centrum für Gegenwartskunst Linz, bis 15. Juli 2001.

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