BERLIN, MANAUS (SN, dpa). Ein Orchester ganz in Weiß, ein internationales Sängerensemble und 150 Trommler, die auf sieben Schiffen Richtung Dschungel fahren: Christoph Schlingensief steuert im legendären Opernhaus von Manaus im brasilianischen Amazonas-Urwald effektvoll der Premiere seiner Inszenierung von Richard Wagners "Fliegendem Holländer" entgegen. Heute, Freitag, will der deutsche Regisseur eine Prozession aller Mitwirkenden vom Opernhaus zum Hafen abhalten. Die Premiere findet dann am Sonntag im prunkvollen Teatro Amazonas statt, das schon Werner Herzog 1982 zu seinem Film "Fitzcarraldo" inspirierte. Für Schlingensiefs abenteuerliches Opernprojekt im Regenwald hat sich das deutsche Kultursekretariat des Bundesstaates Amazonas mit dem Goethe-Institut und der Bundeskulturstiftung zusammengetan. Musikalischer Leiter ist der Festivaldirektor Luiz Fernando Malheiro, der vor zwei Jahren mit der ersten brasilianischen Gesamtaufführung von Wagners "Ring des Nibelungen" in Manaus Aufsehen erregte.

Für den "Holländer" ist Schlingensief schon seit zwei Monaten mit seinen Mitspielern unterwegs. Neben der "Kerntruppe" seiner Berliner Schauspieler-Crew zählt zu diesen etwa auch eine Samba tanzende 84-Jährige.

Im Regenwald, in den Favelas (Armenvierteln) und auf den Flüssen waren sie zu Filmaufnahmen unterwegs, die wie immer Bestandteil der Inszenierung sind.

Der Regisseur probt "bei offenen Türen" mit mehreren hundert Zuschauern. "Diese Offenheit ist ja in Deutschland undenkbar", sagte er der Deutschen Presse Agentur. "Hier aber sitzen die Kinder mit offenem Mund und staunen, die Alten lachen, aber alle gucken und sind interessiert. Vielleicht lohnt das ganze Unternehmen allein schon aus diesen Gründen." An einem Ort, wo Kunst und Natur aufeinander prallten, interessiere ihn das Rituelle in Wagners Werk zwischen Leidenschaft und Abneigung, Wiederkehr und Erlösung, Bühnenspiel und sakraler Handlung.