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Hauptausgabe vom 11.02.2005 - Seite 021
Fleisch verursachte die Ölmalerei

Willem de Kooning gilt als eine der wichtigsten Künstlerpersönlichkeiten der abstrakten Malerei des vorigen Jahrhunderts. Eine Ausstellung im Wiener Kunstforum öffnet nun den Blick für die Vielfalt von de Koonings malerischem Werk.

VON FRANZ THEK

Im April des Vorjahres hat sich Willem de Koonings Geburtstag zum 100. Mal gejährt. Grund für eine Retrospektive, die sich laut Kunstforumsdirektorin Ingried Brugger organisatorisch nicht bewältigen ließ. Immerhin gelang es knapp ein Jahr später, die Schau mit zig Millionenwerten an der Wand doch zu zeigen.

Der geborene Holländer war 1926 in die USA ausgewandert und machte eine "amerikanische Karriere". Vom Schildermaler bis zum Urheber von Bildern mit zweistelligem Millionen Euro Preisetikett. Zudem wurde de Kooning zum Vorbild einer nachfolgenden Künstlergeneration der abstrakten Moderne.

Im Alter heller und leichter

Dem Kunstbegriff des abstrakten Expressionismus zugetan, ließ er sich aber nie in ein dazu gehörendes Korsett zwängen. Dazu war er eine zu sensible Persönlichkeit, die nach ganz eigenen Kriterien malte, die sich im Lauf der Jahrzehnte auch änderten. Waren es am Anfang großformatige Bilder mit pastos aufgetragenen Farben, so wurde er im Alter zweidimensionaler. Im Gegensatz zu anderen Künstlern, die sich dem Lebensende zu düsterer und schwerer ausdrückten, wurde de Koonings Malerei heller und leichter.

Frauen und Landschaften waren bedeutende Zyklen seines êuvres. Weltruf bescherten dem sympathischen US-Holländer seine "Woman"-Serien. Mit diesen eckte er in den 50er-Jahren zwar an, doch er meinte dazu nicht ohne Ironie: "Fleisch war die Ursache für die Erfindung der Ölmalerei."

Im Kunstforum sind etwa 50 Bilder aus dem Werk de Koonings zu sehen, die einen umfassenden Blick in den Aufbau des Kosmos der Künstlerpersönlichkeit erlauben, den Sensibilität, Kraft aber gelegentlich auch Augenzwinkern prägt.

Etwa im "Boudoir" (1972) fließt die Farbe nur so zwischen Form und Struktur und lässt dem Thema noch Raum. In "Die Kuh springt über den Mond" (1937/38) könnte der Meister an Miró gedacht haben, und die "Zeit" deutet auf eine desolate Hauswand, die von Schichten abgerissener Plakate Vergänglichkeit suggeriert.

Eine Gegenüberstellung

Die "Abstract Landscapes" sind nicht allein Idylle, die auf den Abstrakt-Romantiker verweisen, sondern lediglich frei von menschlichen Umrissen. Kräftige Pinselstriche müssen hier keine Rücksicht nehmen.

Willem de Koonings Bedeutung für die Postmoderne wird mit der Gegenüberstellung von Werken anderer Künstler aufgezeigt: Andy Warhol, Gerhard Richter, Sue Williams, Michel Majerus oder Robert Zandvliet.

Eine Schau, die didaktisch auch Leuten Zugang anbietet, die zu Abstrakt und Informel noch wenig Zugang fanden.

Info: BA-CA-Kunstforum, Wien, Freyung 8. Ausstellungsdauer bis 28. März. Geöffnet Sa.-Do., 10-19 Uhr, Freitag, 10-21 Uhr. www.ba-ca-kunstforum.at

"Door to the River": ein "Landscape"-Gemälde mit Geheimnis Foto: Whitney Museum of American Art


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