27.11.2002 19:27
Geh weiter, Mann!
Kunst kommt von
Kondition: "No walk, no art" die Devise von Hamish Fulton - Adaptierte
Textarbeiten in der Bawag Foundation
Wien - Ein Kunstwerk könnte erworben werden, eine Wanderung kann
nicht verkauft werden. Ein Mann, der so etwas auf seiner Künstler-Website
schreibt, muss von materiellen Sorgen schon relativ befreit sein.
Hamish-fulton.com ist ein gut funktionierendes Unternehmen, es vermarktet
die eigenen, individuellen Fußmärsche unterschiedlichsten Charakters.
Andererseits weiß es auch, dass (erlernte) Fähigkeiten sowie Zeit nicht um viel
Geld der Welt zu kaufen sind, eine beruhigende Sache.
Der britische
Documenta-Triathlet (5, 6, 7) erwandert sich seinen Platz in der Kunstgeschichte
durch die Devise "No walk, no art". Von Vollmond zu Vollmond, von Küste zu
Küste, im Hochgebirge wie in der Wüste - insgesamt mehrere 100 Wanderungen in 24
Ländern, über viele Tausende Kilometer.
Eine relativ neue
Herangehensweise der Dokumentation bietet jetzt die eigens für die Bawag
Foundation angefertigte Installation, die hauptsächlich aus Texten besteht:
Placing one foot in front of the other, ja, das ist Gehen. Wörter
wie Ocean und River in riesigen Lettern oder eigene Textblöcke aus Landschafts-
und Naturbegriffen wurden haargenau und souverän an die Wiener Räume angepasst.
Im Untergeschoß darf auch eine Wandnische um die Ecke gelesen werden. Not by
Car steht in Digitalschrift über den Eckdaten seines jüngsten "Walks" von
Bilbao nach Rotterdam, vom 11. September bis 13. November 2002.
Das
alles hat mit Konkreter Poesie zu tun, mit Konzeptkunst, ein bisschen mit Land
Art - aber mit Letzterer mag Hamish Fulton heute nicht in Verbindung gebracht
werden. Da passt eher Robert Smithson oder sein Freund Richard Long hin, mit dem
er übrigens einige seiner tagelangen Märsche absolvierte. On Kawaras
Datumsbilder kommen einem in den Sinn oder Lawrence Weiners Textbotschaften.
Richtig, das Konzept geht in die 60er-Jahre zurück, adaptiert und frisiert und
immer wieder und gerade heute aktuell. Obwohl bei "10 Kilometer rückwärts
wandern" die Sache schon etwas ausgereizt klingt.
Das Gehen als
Anstrengung interessiert Fulton, es schließt an eine europäisch-romantische
Tradition an: Gehen als Mittel der Selbsterkenntnis und spirituellen Erfahrung.
Er ist aber kein abgehobener Esoteriker dabei, auch kein dezidierter Ökofreak.
Das war damals weniger trendy, ebenso wenig wie Fitnesstrends mit den
Dummwörtern "Power walking" und Ähnliches. Fulton nennt sich hochoffiziell und
ohne Ironie "Walking Artist". Mit 17, im Banne der Geschichte und Tradition der
amerikanischen Indianer, notierte er seinen ersten Walk auf den Beacon Hill ("10
miles, 4 June 1963"). Am 10. Oktober 1991 zählt er seine 33.210 Schritte um den
Berg Hiei in Japan - mit zwangsneurotischem Beigeschmack, wenn man so will.
In der Studienzeit am Londoner St. Martins College (Bildhauerei, u.a.
mit Gilbert & George) organisiert er einen Gruppenmarsch in London zum
College. Die zusammengebundenen Studierenden bewältigen die kurze Strecke in 20
Minuten.
Rohe Schrift-Eckdaten liefert Fulton als Erinnerungsgerüst, für
ihn und auch alle anderen. Die Typografie bildet eigene Symmetrien, Textblöcke
rhythmisieren. Früher, das heißt die ersten 20 Jahre, hat - der immer mit seinem
Vornamen Hamish signierende - Fulton Fotos seiner Wanderungen gemacht, mit
Texten und Daten versehen. Seine Erfahrung zeigte aber, "dass sich die Leute nur
die Fotos anschauen". Außerdem habe die enorme Veränderung der Sicht auf Fotos
als Kunst die Fotografie in Richtung reines Medium getrieben und nicht mehr in
Richtung Darstellung von Ideen. Seine Ideen greifen mehr in Europa, sagt er,
während er in den USA eine konventionellere Sichtweise auf Kunst beobachtet hat,
eine "Sammlermentalität", die "hübsche" Bilder bevorzuge. Geh weiter,
Mann!