Gelingt es Enwezor die Ausstellung von der westlichen Ausrichtung zu befreien?
Die Namensliste wird zeigen, inwieweit der erste nicht-europäische documenta-Chef seinem Anspruch gerecht wird, die Ausstellung von ihrer überwiegend westlichen Ausrichtung zu befreien. Verflüchtigen wird sich vielleicht auch der Vorwurf, der aus Nigeria stammende Amerikaner Enwezor habe eine zu theorielastige Schau vorbereitet. Was genau auf der documenta zu sehen sein wird, ist zwar auch sechs Wochen vor der Eröffnung am 8. Juni nur den Organisatoren selbst bekannt. Die Veröffentlichung der Teilnehmerliste aber wird zumindest schon zeigen, welche Genres im Mittelpunkt stehen und von welchen Kontinenten bevorzugt Künstler eingeladen sind.
Die Plattformen
Enwezor und sein Kuratorenteam hatten im Vorfeld die Erörterung der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen künstlerischer Produktion zu einem wesentlichen Bestandteil der documenta erklärt. Auf so genannten Plattformen in Berlin, Wien, Neu Delhi, St. Lucia und Lagos war unter anderem über Demokratie, Globalisierung und kulturelle Unterdrückung diskutiert worden. Kritiker hatten deswegen befürchtet, dass die Kunst selbst auf der documenta zu kurz kommen könnte. Enwezor hielt dem entgegen, die Plattformen sollten die Kunst nicht ersetzen, Kunst aber beschränke sich nicht auf Kunstbetrachtung in Museen.
Die Jagd nach der Liste
Spekulationen über die teilnehmenden Künstler sind ein festes Ritual vor jeder documenta, und auch diesmal war kräftig gemutmaßt worden. Die in Regensburg erscheinende "Kunstzeitung" hatte sogar eine Liste mit 70 Namen veröffentlicht, von denen, wie ein documenta-Sprecher meinte, nur eine kleine Zahl zutreffend sei. Während bei der letzten documenta die Künstler erst bei der Eröffnung genannt und bei der Jagd auf die Liste zuvor hohe Geldsummen geboten wurden, machte diese documenta einige Künstler schon vorab bekannt. Dabei sind der Belgier Luc Tuymans, die Kubanerin Tania Bruguera, der Schweizer Thomas Hirschhorn sowie der Ungar Yona Friedman.
Keine Ethno-Schau
Eine Ethno-Schau mit Schwerpunkt Afrika solle die documenta nicht werden, hatte Enwezor schon weit im Vorfeld klar gestellt. Nicht-westliche Künstler werden dem Anschein nach zumindest aber eine größere Rolle spielen. Darauf deuten weitere heiß gehandelte Namen hin, wie etwa die aus Uganda stammende Zarina Bhimji, Alfredo Jaar aus Chile, der schwarze Filmer Isaac Julien und die Iranerin Shirin Neshat.
450 unaufgefordert geschickte Mappen
Bei der Auswahl der Künstler konnten sich die documenta-Macher wie schon so
oft nicht vor einer Flut unaufgefordert eingereichter Bewerbungen retten. Rund
450 Künstler schickten von sich aus Mappen, Bilder und Fotos nach Kassel in der
Hoffnung, möglicherweise als documenta-Künstler an Bekanntheit zu gewinnen. Zum
Zuge kam aber keiner. "Von der Qualität her ist das nicht das, was wir suchen",
erklärte eine documenta-Sprecherin.(APA/dpa)
Quelle: ©
derStandard.at