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Zeitschrift für Stadtforschung |
Der Leitsatz von "Dérive": Man kann die Idee von Stadt, die Stadt
selbst, nicht von den sozialen Prozessen, die in ihr vorgehen,
entkoppeln. |
Das traditionelle Bild der Stadt als Umschlagplatz für Geld und Waren
wurde in den letzten Jahrzehnten nachhaltig verändert: In den Blickpunkt
des - nicht nur wissenschaftlichen - Interesses gelangten vermehrt
gesellschaftliche Entwicklungen, die sich im urbanen Raum fokussieren. Und in diesen Raum stieß vor etwa einem Jahr eine Gruppe junger Wiener,
die bis dahin mit einer kleinen Architekturzeitschrift - dem "peiler" -
mit Konzerten im öffentlichen Raum und mit Kunst-Fernsehprojekten
Aufmerksamkeit erregten. Nun also machen sie ein weiteres Mal von sich
reden und schreiben - in einer neuen Stadt-Zeitschrift. Das Sprachliche Wer liest schon gerne ein Druckwerk, dessen Titel er/sie nicht einmal
aus zu sprechen vermag? Auch wir haben wir bis vor kurzem gerätselt. Die
neue Wiener Zeitschrift für Stadtforschung: deren Name setzt sich aus den
Buchstaben D-é-r-i-v-e zusammen.
Christoph Laimer ist bei Dérive so etwas wie das Master Mind der sehr
jungen Stadtforschungs-Truppe. Er ist Politi- Dérive - das bedeutet Umherschweifen. Diese Streifzüge durch die Stadt
sind weniger von akademischen Diskursen geprägt als mehr von einem
gesunden Widerstandsgeist einer jungen Großstädtergeneration gegen
eingefahrene Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen in der Stadt. Versteckte Redaktion Man muss schon ein wenig zu Fuß umherschweifen - wie die der
Zeitschrift namengebende, französische Avantgardetruppe der 60er Jahre -
um an den Ort zu gelangen, wo sie ihr zu Hause hat. Im 3. Wiener
Gemeindebezirk hat die Gemeinschaft in einem erdgeschossigen, ölbeheizten
Atelier ihre Redaktion, ihren Treffpunkt, der auch noch Arbeitsraum für
Landschaftsplaner und ein Architekturbüro ist. An einem Ort, der
eigentlich ein Unort ist. Kaum jemand verirrt sich in diese Gasse, es sein denn, er will das
gegenüberliegende, kolossal protzige Bundesamtsgebäude (für
Landesverteidigung) von hinten mit dem Auto befahren. Oder eben zu Dérive
reinschneien. Gesellschaftliche Entwicklungen Zeitschrift für Stadtforschung. Ein Untertitel der die Sache vermutlich
nicht ganz trifft, weil er zu eng gefasst scheint, da es uns in erster
Linie um gesellschaftliche Entwicklungen geht, die in der Stadt besser
erkennbar sind, weil sie früher und konzentrierter auftreten. Themen wie die intensive Überwachung des öffentlichen Raumes,
verstärkte Zero-Tolerance-Politik, Rassismus, Erlebniswelten und
Multiplexe, Migration und Integration, Stadtplanung, Wohnbaupolitik und
Obdachlosigkeit, die Privatisierung des öffentlichen Raumes, Gated
Communities, die langsame Abschaffung des Sozialstaates und
Standortpolitik. Auch für etablierte Gastkommentatoren aus dem
Wissenschaftsbetrieb, den Architektur- und Soziologie-Instituten,
unumgängliche Themen. Institutioneller Rassismus Als "Operation Spring" werden die von Polizei und Drogenfahndung
durchgeführten und von den Medien gefeierten Großeinsätze zur
"Zerschlagung der nigerianischen Drogenmafia" bezeichnet, d. h. umfassende
Lauschangriffe, Razzien, und Kriminalisierungen von afrikanischen
MigrantInnen. In einem Artikel zeichnet Christoph Laimer nach, wie der Protest von
MigrantInnen gegen gewaltsame Übergriffe und Tötungen bei
Straßenkontrollen von den Beamten selbst zur Zementierung des Bildes der
organisierten Drogenkriminalität benutzt wurde. Mike Davies als Vorbild Mike Davies stadtsoziologischer Klassiker "City of Quartz -
Ausgrabungen der Zukunft in Los Angeles" als Anleihe für eine Zeitschrift
für Stadtforschung. In einer Buchbesprechung - auch die sind in den Heften
zu finden - hieß es gar, Mike Davies sei nicht ganz unverantwortlich für
die Existenz von Dérive. Die Stadt als soziales Gebilde verständlich machen, sagt Christoph
Laimer, sei eine Aufgabe. Denn man könne die Idee von Stadt, die Stadt
selbst, nicht von den sozialen Prozessen die in ihr vorgingen entkoppeln.
Das scheint ein Leitsatz der Stadtforscher von Dérive zu sein. Und damit
wollen sie sich vom allzu theoretischen Umgang mit Stadt und Architektur
in den diversen Debatten abheben. Link: Dérive Tipp
Hören sie mehr zum Thema in der Ö1-Sendung "Diagonal" am Samstag, den
2. Februar, um 17:05. | ||||||
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