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Kunstberichte
Die Stararchitektinnen Zaha Hadid und Odile Decq bauten in Rom die neuen Museen Maxxi und Macro

Winkelige Wege ins 21. Jahrhundert

Der 
Museumsbau als sich selbst feierndes Kunstwerk: Zaha Hadids 
"Maxxi" in Rom ist nur von außen eindrucksvoll. Foto: 
Wikipedia

Der Museumsbau als sich selbst feierndes Kunstwerk: Zaha Hadids "Maxxi" in Rom ist nur von außen eindrucksvoll. Foto: Wikipedia

Von Robert Quitta

Aufzählung Außen Magie, innen ein Hauch von Guantanamo. Aufzählung Ewig ungeklärte Frage der Funktionalität.

Rom. Im nicht unverständlichen Bestreben, nicht nur als Stadt der Antike und des Barocks zu gelten, rüstet Rom in Sachen Moderne auf. Gleich zwei Museen für zeitgenössische Kunst (mit für den seltsam klingenden Kürzel-Namen) wurden hier in den letzten Monaten eröffnet: das Maxxi (Museo nazionale delle arti del XXI secolo) und der Erweiterungsbau des Macro (Museo di arte contemporanea di Roma).

Das Maxxi ist natürlich der spektakulärere der beiden Bauten, da er die Handschrift der irakischen Stararchitektin Zaha Hadid trägt. Ihr Entwurf ging aus dem vor zehn Jahren im Zuge der "Wir-wollen-auch-so-ein-Landmark-Building"-Epidemie veranstalteten Wettbewerb als Sieger hervor. Das leere Museum-Kunstwerk wurde bereits 2009 eingeweiht. Mit entsprechenden, seinem ursprünglichen Zweck dienenden Objekten versehen, ist es nun der Öffentlichkeit zugänglich.

Roms neue architektonische Attraktion wirkt auf den ersten Blick unscheinbar. Wer nichts von seiner Existenz weiß, würde an den liebevoll renovierten, sonst aber unspektakulären ehemaligen Kasernen glatt vorüberfahren.

Erst wenn einen der ausnahmsweise wohlinformierte Taxifahrer korrekt abgesetzt hat und man das pappelumsäumte Gelände betritt, erkennt man nach und nach, wie in einer gekonnten Symbiose von Alt und Neu aus den durchschnittlichen Gebrauchsgebäuden die charakteristischen hadidischen dynamisch-konstruktivistischen Schlangenformen futuristisch auskragen.

Der erste Effekt ist positiv. Man hat nach langer Zeit wieder den Eindruck, einem tatsächlich von der leibhaftigen Architektin selbst gestalteten Bau gegenüberzustehen und nicht nur einem von Büroassistenten betreuten computergenerierten und wohl auch austauschbaren hadidesken Etwas.

Ein magischer Ort

Besonders erfreulich die extrem liebevoll gestalteten Details der Außen-Inszenierung: Kieswege, geschickt in den Boden eingelassene Beleuchtungskörper, ganz im Stil der Architektin gehaltene organisch-fließende Sitzgelegenheiten, ein gestrandetes Boot aus Beton: Ein geradezu magischer Ort, der dermaßen zum Verweilen lädt, dass man vorerst keine Lust verspürt, die Schwelle zu überschreiten. Nicht ganz ohne Vorahnung, wie sich dann herausstellt. Denn das Innere kann mit dem Äußeren weder gestalterisch noch materialmäßig mithalten.

Zwar sind auch hier selbstverständlich ausgeklügelte Systeme von unmerklich ineinander übergehenden Ausstellungsebenen erfunden worden, und der Besucher wird angehalten, sozusagen permanent in Bewegung zu sein, um sich das Gebäude wie eine begehbare Skulptur zu erwandern. Nur im Gegensatz zum Gehryschen Guggenheim in Bilbao, das einem ähnlichen Konzept folgt, bereitet einem der römische Zwangsparcours keinen wirklichen Spaß: Ihn verderben Stahltreppen, Orgien von Sichtbeton, enge, unschön beleuchtete Korridore und der unaufhaltsam fortschreitende Verlust der Orientierung. Hier fühlt man sich nicht als Flaneur, sondern als Insasse einer Art Architektur-Guantanamo.

Was die eigentliche Funktion des Gebäudes betrifft, muss man in die Klage über Dysfunktionalität miteinstimmen. Es ist schon so, dass der eigentliche Star wieder einmal das Gebäude selbst ist. So wirken die Bestandteile der durchaus beachtlichen, nahezu alle Markennamen der zeitgenössischen Kunst wie Bill Viola, Michelangelo Pistoletto, Mario Merz, Joseph Beuys, Anselm Kiefer, Ilya Kabakov, Anish Kapoor etc. umfassenden Sammlung hier irgendwie fast fehl am Platz.

Weitaus unaufgeregter kommt der jüngst eröffnete Erweiterungsbau des schon länger bestehenden Macro durch die französische Stararchitektin Odile Decq daher. Die ehemalige Brauerei erhielt dadurch eine Terrasse, einen Parkplatz, eine Buchhandlung, ein Restaurant, ein Café und einen Konferenzsaal, der in seiner knallroten Bunkerhaftigkeit allerdings den Eingangsbereich blockiert. Ein funktionelleres Design als bei Hadid, dafür aber auch in seiner Kleinteiligkeit entschieden anspruchsloser und ungenialer.

Am schönsten benützten die Künstler Bik van der Pol die neue Ausstellungshalle, in der sie eine Kopie vom Mies van der Rohes Farnworth House platzieren – gefüllt mit erschreckend großen tropischen Schmetterlingen.

Beiden Museen zueigen ist ihre abseitige Lage und schlechte Erreichbarkeit. Vielleicht findet ja das römische Transportsystem auch noch seinen Weg ins 21. Jahrhundert.

 

Printausgabe vom Samstag, 08. Jänner 2011
Online seit: Freitag, 07. Jänner 2011 18:26:00

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