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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
22. November 2006
22:17 MEZ
Westlicht
Ausstellung bis 14. Jänner 2007 
Foto: Nobuyoshi Araki /Westlicht
Abzug aus Nobuyoshi Arakis aktueller Serie "Diaries (Love by Leica)" in der Galerie Westlicht.

Liebes Tagebuch: Nobuyoshi Araki bei Westlicht
Große Werkschau zeigt neuere, größtenteils noch unpublizierte Arbeiten unter dem Titel "Diaries (Love by Leica)"

Wien - Spätestens seit Tokyo Lucky Hole 1997 im Taschen Verlag erschienen ist, können sich auch die Liebhaber gehobener Coffee Table Books zu Nobuyoshi Araki bekennen, zu dessen detaillierten Ansichten des weiblichen Körpers, zu dessen fesselndem Umgang mit Frauen. "Ich umschnüre den Körper der Frauen, weil ich weiß, dass ich ihre Seele nicht zu fesseln vermag. Binden lässt sich nur ihre Physis. Die Frauen zu umschnüren läuft in einem gewissen Sinne darauf hinaus, sie zu umarmen, zu liebkosen", erklärt Araki eines seiner Leibmotive, und fügt an: "Ich bin die Kamera."

Westlicht, der Schauplatz für Fotografie zeigt derzeit neuere, größtenteils noch unpublizierte Arbeiten unter dem Titel Diaries (Love by Leica). Daneben ist eine Auswahl an älteren Polaroids und die rezente Reihe Flowers und Jamorinsky zu sehen. Unter Letzterer muss man sich Aufnahmen von Blütenkelchen vorstellen, die eine Echse (Jamorinsky) genauestens erforscht.

Nobuyoshi Araki, 1940 in Tokio geboren, wuchs in unmittelbarer Nähe des Kurtisanenviertels Yoshiwara auf. Das früh einschlägig prägende Umfeld gilt ihm bis heute als "Gebärmutter" seiner Fotografie, die ihm ebenso Tagebuch ist wie Mittel, um die Tage zu beleben. "Ich wäre nichts ohne Fotografie. Fotografie ist Leben": Und so zieht Araki ab 1970 - nach Selbsteinschätzung: ab seinem ersten Jahr - stets mit mehreren Leicas, Polaroid- und Kompaktkameras bewaffnet, seine Kreise, um sich selbst einzubringen. Arakis Form ist stets die des Ich-Erzählers, des Akteurs in einem Spiel, welches er inszeniert, vorantreibt und festhält. Nie ist Araki der Voyeur, der aus der sicheren Distanz her-aus abdrückt, der Alltag der Modelle ist stets auch sein Alltag, die spezielle Situation ergibt sich immer kraft seiner Präsenz.

Und Anonymität wäre für ihn, der in den frühen 80er-Jahren die Blütezeit der Amüsierviertel in Tokio mit einer Kamera als zusätzlichem Gliedmaß mitlebt, auch gar nicht machbar. Tabubruch und Provokation (so etwa ist in Japan die Darstellung von Schamhaar verboten) erschienen ihm immer als notwendig - um aufzufallen, um Intimität zu finden: "Unsere erste Aufgabe war es, jene Bereiche zu belichten, die als unanständig galten. Wir konnten es uns nicht leisten, in dieser Sache untätig zu bleiben - wir mussten klar sehen."

Logisch, dass Arakis Weg nicht über offizielle Institutionen verlief. Anfang der 70er-Jahre ließ er seinen Job bei Japans größter Werbeagentur Dentsu sausen und begann damit, seine "verbotenen" Einblicke in Nudelsuppenrestaurants, Wäschereien und Bars auszustellen, kleine Kompendien seiner Fotografien ebenso an Prominente wie Zufallsadressaten zu verschicken.

Jedenfalls wurde der kleine Mann, der seine eigene Intimität am besten dadurch geschützt weiß, sie öffentlich zu machen, rasch zu Legende. Die permanente Reibung mit der Staatsgewalt war dem nur förderlich. Zur Berühmtheit außerhalb Tokios verhalf ihm eine erste internationale Ausstellung: 1992 im Forum Stadtpark in Graz. Und auch die bislang umfangreichste und meistbeachtete Araki-Ausstellung fand in Österreich statt: 1997 in der Wiener Secession.

Womit Araki auch zu einem Player im Kunstmarkt wurde. Der hat sich bis heute mit Arakis Bedingungen abzufinden: Er präsentiert seine Fotos ungerahmt, einfach an die Wand genadelt, er belässt die Abzüge undatiert, um deren Rätselhaftigkeit nicht zu untergraben, Titeln gegenüber zeigt er sich ebenso reserviert. Neben der Schau bei Westlicht zeigt auch die Galerie Philipp Konzett Arbeiten des obsessiven Japaners. (Markus Mittringer /DER STANDARD, Printausgabe, 22.11.2006)


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