Die erste
"Face it" im Kunstmuseum Lentos in Linz.
Linz. "Was
ich nie wollte, ist schockieren. Es ist aber so, dass mich meine Umwelt
immer schockiert hat", kommentiert Gottfried Helnwein, derzeit zu Gast in
Linz, sein etabliertes Image als "Schockkünstler".
Für seine erste Ausstellung in Österreich seit 20 Jahren hat der
Auslandsösterreicher bewusst Linz gewählt. "Ich freue mich, dass meine
erste Schau hier in Linz ist – mit ein bisschen Distanz zu Wien", zu dem
der Künstler ein eher gestörtes Verhältnis hat.
In Linz hat er bewusst das Lentos Kunstmuseum gewählt: "Hier gibt es
die beste Museumsarchitektur, die ich kenne. Und das beste Licht für meine
Bilder, das ich je gesehen habe." Stella Rollig, Direktorin des Lentos,
freut sich darüber: "Helnwein hat uns erlaubt, hier einen Coup zu landen."
Man habe seine Kunst in dieser Fülle und Reichhaltigkeit hier seit 20
Jahren nicht mehr gesehen.
Mit Kopftuch und Brille
Das Lentos zeigt nun bis 5. Juni 40 große Arbeiten des Künstlers, zu
dessen Markenzeichen mittlerweile sein schwarzes Tuch und seine dunkle
Brille geworden sind. In den großen, kahlen Räumen des Museums wirken
seine Bilder bedrückend und fordernd zugleich. Sein Hauptmotiv, das
menschliche Gesicht – in jeder Formation und Deformation – blickt den
Betrachter von allen Seiten an.
Die Arbeiten reichen bis in die frühen Siebzigerjahre zurück, als sich
Helnwein dem Thema verstümmelter Kinder im Aquarell annäherte.
Schwerpunktmäßig werden aber jüngere Bilder gezeigt, die in Österreich
noch nicht zu sehen waren.
Marilyn und Mickey
Die großformatigen Werke zeigen alle Schaffenperioden der letzten 30
Jahre: Die für Helnwein typischen Selbstporträts mit blutverschmierten
Bandagen und chirurgischen Geräten genau so wie aktuelle Bilder, die mit
der Ikonografie des Nationalsozialismus arbeiten. Dazwischen immer wieder
hyperrealistische Darstellungen verletzter und verunstalteter Kinder. Der
Bogen spannt sich bis zu den bekannten Bildzitaten von Donald-Zeichner
Carl Barks oder der Serie "The Golden Age" mit dem Musiker Marilyn Manson,
die ihn mit aufgerissenen Augen oder mit Mickey-Mouse-Kappe zeigen.
Helnwein, der einmal sagte, dass er von Donald Duck mehr lernte als von
allen Schulen, in denen er war, betonte dies auch wieder und erzählte von
seinen ersten Comic-Erfahrungen in der Kindheit: "Als ich Entenhausener
Boden betrat, hat sich mein Leben völlig verändert." Dieses
Schlüsselerlebnis wurde zur Gegenwelt zu seinen Erfahrungen mit der
düsteren und oft brutalen Ikonografie der Kirche, der er in seiner
Kindheit im Nachkriegsösterreich begegnete.
Helnwein, 1948 in Wien geboren, lebt heute in Los Angeles und Irland.
Heimat ist für ihn "die ganze Welt", Irland wurde ihm zum
Lebensmittelpunkt, Los Angeles scheint ihn soziokulturell zu fesseln:
"L.A. ist für Künstler die bestgeeignete und auch unterschätzteste Stadt."
In manchen Teilen der Stadt begegne man dem Ende der Welt, ein paar
Schritte weiter herrsche unverschämter Reichtum. "Nobody cares. Hier ist
alles scheißegal". Gute Voraussetzungen für einen Künstler, der es schätzt
in Ruhe gelassen zu werden.
Helnwein wollte am Anfang seiner Laufbahn auch gar nicht ausgestellt
werden. Kunst war für eher eine Möglichkeit mit der Existenz von grausamen
Realitäten fertig zu werden – berühmter Künstler zu werden war nicht sein
Ziel.
Dass ihm dies aber doch gelungen ist, beweist die große Resonanz auf
seine Werkschau. Linz ist dieser Tage im Helnwein-Fieber: im Taxi, im
Kaffeehaus, auf der Straße ist er Thema.
Helnwein genießt seine Wahl für Linz auch sichtlich: "Die Wiener sollen
ruhig ein bissl fahren", um die Ausstellung zu sehen.
Face it
Werke von Gottfried
Helnwein 1971-2005
10. März bis 5. Juni
Lentos Kunstmuseum Linz
0732/70 70-3600
http://www.lentos.at/
http://www.helnwein.com/
Eine Reise wert.
Donnerstag, 09. März
2006